© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/08 03. Oktober 2008

Verspätete Helden der Arbeit
Leipziger Paulinerkirche: Gegen Beschlußlagen hat der Genius loci keine Chance
Thorsten Hinz

An die Stelle der 1968 gesprengten Paulinerkirche (Universitätskirche) im Zentrum Leipzigs wird gerade ein Glasbau gesetzt, wie er heute in monotoner Einfalt fast alle deutschen Städte ziert. Die Hoffnung war, daß wenigstens der Innenraum eine historische Anmutung erhalten und den 700jährigen Genius loci, für den Namen wie Luther, Bach und Mendelssohn Bartholdy stehen, erahnen lassen würde.

Nun teilt der Leipziger Paulinerverein mit, daß die Große Baukommission beschlossen hat, eine Trennwand aus Plexiglas zu errichten, die den kirchlichen vom profanen Teil trennt. Raum- und Klangwirkung sind damit verdorben. Ausschlaggebend sei, daß es "ausländischen Studenten nicht zugemutet werden kann, während universitärer Veranstaltungen auf einen Altar schauen zu müssen".

Warum denn nicht? Schon die historische Kirche hatte als Aula gedient. Die Theologie gehört zu den Gründungsfakultäten der europäischen Universität. Die Beschäftigung mit dem christlichen Glauben gehört zu den Traditionen, auf denen der Ruf und die weltweite Wirkung der Universität sich gründen.

In der Kommission sind die Sächsische Staatsregierung und die Universität in der Person ihres Rektors Franz Häuser vertreten. Im Januar 2008 schrieb diese Zeitung über den Auftritt des Rektors auf einer Bürgerversammlung in Leipzig. (JF 04/ 08) Häuser, ein Spezialist für Bank- und Kapitalmarktrecht, der bis 1989 unauffällig in Mainz und Bielefeld tätig gewesen war, personifizierte den Opportunismus und die Mittelmäßigkeit der aktuellen deutschen Universität. Wo der Paulinerverein sich auf Kultur, Geschichte, auf den Genius loci eben, berief, da verfiel Häuser in die Sprache des geist- und seelenlosen Verwalters, redete von "Beschlußlagen", vom "gottesdienstlich zu nutzenden Teil" und "technischen Abläufen". Dazu paßt, daß er bei anderer Gelegenheit die erhalten gebliebene Kirchenkanzel, von der Kirchenmänner von Luther bis Martin Niemöller gepredigt hatten, ein "barockes Scheißding" nannte.

Die Linke jubelt. Der frühere DDR-Bürgerrechtler und heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz hatte anläßlich der Leipziger Querelen über das Zusammenspiel von alten Ost- und zugezogenen West-Eliten geschrieben: "Die neue Freiheit haben jene am besten für sich genutzt, die sie vorher am rigorosesten bekämpft haben: die alten Eliten der untergegangenen DDR. Sie waren uns an Herrschaftswissen, Führungserfahrung, Personalkenntnis, materieller Ausstattung, Frechheit und Dreistigkeit weit überlegen. Sie rekrutierten Komplizen aus den westdeutschen Apparaten. Diese halfen ihnen zunächst, sie zu adaptierten. Als Dank durften sie sich die Lebensträume ihrer Eitelkeit erfüllen und in Ostdeutschland Führungspositionen übernehmen, die sie im Westen nie erlangt hätten. Dort nahmen sie - manus manum lavat - in feiner Witterung die Herzensanliegen der alten ostdeutschen Eliten auf und setzten sie mit dem Eifer verspäteter Helden der Arbeit um."

Doch ihre Arbeit ist ohne Geist und rein destruktiv. Sie läuft in der Tat auf die besenreine Übergabe der deutschen Immobilie hinaus.

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