© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/08 26. September 2008

Köln jagt den weißen Wal
Anti-Islamisierungskongreß I: Oberbürgermeister bezeichnet Islamkritiker als "Nazidreck" / Demonstranten werfen mit Steinen
Hinrich Rohbohm

In Moby Dicks Maul klafft ein Loch. Es hat einen Durchmesser von 70 Zentimetern und sieht aus, als hätte jemand dem weißen Pottwal aus Herman Melvilles Roman den rechten Schneidezahn herausgeschlagen. Ein Bild, das symbolträchtiger nicht sein könnte. Denn wie der einbeinige Kapitän Ahab blind vor Haß den großen Meeressäuger jagte, so spielten sich auch in Köln am Wochenende Verfolgungsszenen ab.

Dort wurde auf eine selten gewordene Spezies von Politikern Jagd gemacht. Auf Rechte. Politisch Inkorrekte. Oder Rechtspopulisten, wie sich Pro Köln selbst nennt. Linke würden hier vehement widersprechen. Für sie sind die Anhänger von Pro Köln Rechtsextreme. Nazis. Oder "brauner Nazidreck", der in der Toilette heruntergespült gehöre, wie sich Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) auszudrücken beliebte. In Wirtshäusern der Domstadt wird der seltenen Spezies daher der Ausschank verwehrt, Bus- und Taxifahrer verweigern die Fahrt. Hoteliers lehnen die Beherbergung ab. Nicht einmal einen Tagungsraum können sie erhalten.

So kann sich die selten gewordene Spezies nur unter dem Vorwand, einen Ausflug von Rechtsanwälten zu veranstalten, auf die "Moby Dick" flüchten, einen Rheindampfer, der die Form eines Wales aufweist. Mit dabei: FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, der Fraktionsvorsitzende des Vlaams Belang, Philip Dewinter, sowie der parteilose Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche.Als die ersten Gäste und Journalisten eintreffen, wird es laut. Linksextremisten kommen grölend auf den Steg zugerannt, schreien: "Nazis raus". Kapitän Ahab will seinen Wal erlegen. Steine und Bierflaschen fliegen, knallen auf das Schiffsdeck. Scheiben klirren. Ein faustgroßer Stein fliegt auf der Steuerbordseite in Höhe des Bugs durch eines der großen Fenster. Glassplitter liegen überall in Moby Dicks Mund verstreut herum. Ebendieser Mund dient wenige Minuten später Pro Köln als Ort für eine Pressekonferenz.

Währenddessen stehen Journalisten am Anleger mitten zwischen den Steinewerfern, führen Interviews mit den Gewalttätern. Linksextremisten laufen von der Polizei ungehindert auf den Bootssteg. Der Kapitän bekommt Panik, schmeißt den Motor an, gibt Vollgas, weg von der Anlegestelle. "Das ist das Werk von Herrn Schramma und Herrn Rüttgers", ruft Markus Beisicht den Journalisten an Bord entgegen. "Wir werden uns aber der Gewalt nicht beugen", verkündet der Pro-Köln-Vorsitzende. FPÖ-Generalsekretär Vilimsky ist geschockt und empört. "Das wird ein Nachspiel haben. Was hier stattfindet, spottet jeglicher demokratischer Vernunft", sagt er. Sein Appell: Die Linken sollten Argumente statt Gewalt sprechen lassen.

Vlaams-Belang-Fraktionschef Dewinter ist entsetzt, daß Polizisten tatenlos zusehen: "Ich habe gedacht, die Diktatur in Deutschland ist seit 1945 zu Ende. Ich habe mich geirrt, sie hat gewechselt von einer braunen in eine linke Diktatur." Auch Nitzsche zeigt sich bestürzt. "Ich fühle mich an 1989 erinnert", sagt der sächsische Politiker, der damals zum Sturz des kommunistischen DDR-Regimes mit auf die Straße gegangen war.

"Moby Dick" kommt unterdessen nicht mehr weiter. Das Schiff sei seeuntüchtig, teilt die Wasserschutzpolizei mit. Es folgt stundenlanges Warten vor der Hafeneinfahrt von Köln-Niehl. Gegen 14 Uhr werden die Passagiere ungeduldig. Beisicht spricht davon, daß die Polizei die Gruppe bewußt auf dem Rhein festhalte, droht mit Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung. Knapp eine Stunde später geht die Fahrt weiter. Eine Brücke kommt ins Sichtfeld des Schiffes. Auf ihr stehen mit Steinen bewaffnete Autonome. Sie holen mit den Armen aus, bereit zum Wurf auf den "Wal". Von der Polizei fehlt jede Spur. Erst 30 Minuten später ist sie da, um die Brücke zu sichern. Trotzdem prasseln Steine auf "Moby Dicks" Rücken. An einem Anleger nahe der Kölner Innenstadt werden die Kongreßteilnehmer schließlich von Bord gelassen. Zuvor hatte die Polizeiführung dem Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche eine Eskortierung der Gruppe zugesichert. Davon war an Land keine Rede mehr. Den Rhein im Rücken und gewaltbereite Autonome vor sich, macht sich Ratlosigkeit breit bei der seltenen Spezies. "Super, genauso haben wir das mit der Polizei besprochen", verplappert sich einer der Autonomen. Schließlich wird die Gruppe von Polizisten in Zivil aus der Gefahrenzone gebracht.

Unterdessen laufen vor dem Kölner Dom die Blockadevorbereitungen der linken Gegendemonstranten. Per Lautsprecher wird durchgegeben, an wen sie sich wenden können, sollten sie inhaftiert werden. Vereinzelt wird noch einmal vorgeführt, wie man möglichst effektiv Menschenblockaden bildet. Alte Sowjetfahnen werden geschwenkt, Alt-Achtundsechziger trauen sich hier wieder, die rote DKP-Mütze zu tragen. Doch der Plan der Linken, den Heumarkt zu besetzen, schlägt fehl. Statt dessen blockieren sie am nächsten Morgen sämtliche Zugänge zu dem Platz. Nur vereinzelt kommen Islamkritiker durch. Meist werden sie abgedrängt oder verprügelt. Linksextremisten versuchen Polizeibeamten ihre Waffe zu entreißen. Mülltonnen werden angezündet, Scheiben gehen zu Bruch, während mehrere hundert Islamkritiker am Flughafen Köln-Bonn festsitzen. Eigentlich sollten sie von dort mit der Bahn in die Innenstadt fahren und anschließend von der Polizei auf den Heumarkt eskortiert werden. Es sollte nicht mehr dazu kommen. Die Polizei erläßt ein Demonstrationsverbot für Pro Köln, weil sie nicht für die Sicherheit garantieren kann. Jubel bei den linken Gegendemonstranten, die selbst Kinder für sich politisch instrumentalisierten und in die erste Reihe der Blockade steckten.

Markus Beisicht will jedoch nicht aufgeben. "Wir werden nächstes Jahr wieder einen Kongreß veranstalten", kündigt er an. So wurde der Wal verjagt, aber nicht erlegt. Und Melvilles Roman endet schließlich auch anders: Moby Dick reißt letztlich den vom Haß ausgezehrten Ahab und seine Mannschaft samt Schiff in die Tiefe des Meeres.

 

Sprüche zum Kongreß

"Diese Typen sind die Pest der deutschen und europäischen Politik, und wir werden sie als solche therapieren."

Der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Jürgen Wilhelm, über die Teilnehmer des Anti-Islamkongresses

 

 

"Mit diesem Kongreß stinkt Pro Köln nach braunem Exkrement, und ihre Politiker stinken mit. Pfui Teufel, meine sehr verehrten Damen und Herren!"

Ulrich Breite, Geschäftsführer der FDP-Ratsfraktion, in einer Ratssitzung der Stadt Köln am 24. Juni

 

 

"Verfaulte Clique des Eurofaschismus"

Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) auf der DGB-Veranstaltung am 21. September

 

 

"Man kann eben in der Politik und in der Demokratie nicht nur formaljuristisch argumentieren, sondern es geht schon darum, welches Anliegen welche Gruppierung vertritt, ob es dem friedlichen Zusammenleben der Gesellschaft dient, oder ob es stört, welche historische Erfahrung, welche historischen Erinnerungen wir mit welcher Art von Anliegen welcher politischen Position haben."

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am 22. September im Deutschlandfunk auf die Frage, wie er das Verbot einer Demonstration von Befürwortern der multikulturellen Gesellschaft bewertet hätte

 

 

"Die von Pro Köln geplante Bus­tour mit vorgesehenen Haltepunkten im Bereich der Ditib-Moschee sowie der Bereich Keupstraße ist eine öffentliche 'Vorführung' bestimmter Bevölkerungsgruppen und damit eine nicht hinzunehmende Provokation, wodurch deren Menschenwürde verletzt wird."

Polizeipräsident Klaus Steffenhagen in einer Pressemitteilung vom 19. September zur Begründung des Verbots der Bustour

 

 

"Soll die braune Soße doch im Rhein versinken."

Josef Wirges (SPD), Bezirksbürgermeister von Köln-Ehrenfeld, über die Pressekonferenz von Pro Köln auf dem Rheindampfer "Moby Dick", Blockade am Heumarkt: Sogar Kinder wurden von den Gegendemonstranten politisch instrumentalisiert

 

Fotos: Demonstranten schlagen am Samstag in Köln auf einen Teilnehmer des Anti-Islamisierungskongresses ein, die Polizei ist nicht zu sehen: Abgedrängt und verprügelt

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