© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/08 26. September 2008

Landtagswahl in Bayern
Götterdämmerung für die CSU
Dieter Stein

In Bayern ist die Welt noch in Ordnung! Das ist in Deutschland ein geflügeltes Wort. Hier werden Traditionen in Ehren gehalten, Glaube, Volk und Heimat bilden eine Einheit. Wirtschaftlich ist Bayern einsame Spitze: Laptop und Lederhose, Hochtechnologieland, beinahe landesweit herrscht Vollbeschäftigung. Noch immer gelten Bildungsabschlüsse bayerischer Schulen als das Beste, was Deutschland zu bieten hat. Kurz: Es ist ein Segen, unter bayerischer Sonne leben zu dürfen. Bayerische Folklore, Bier, Wiesn, stehen nicht umsonst weltweit pars pro toto für das kraftstrotzende Deutschland. Das müssen selbst eingefleischte Preußen zähneknirschend einräumen.

Die CSU, die in der Vergangenheit mit der bayerischen Identität zu einem Ganzen verschmolzen schien, sieht trotzdem mit Bangen auf den Ausgang der Landtagswahl am kommenden Sonntag. Innerhalb einer guten Jahresfrist stürzte die Partei nicht nur den amtierenden Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der das letzte Traumergebnis von 62 Prozent eingefahren hatte, sondern inthronisierte eine wackelige Doppelspitze Beckstein/Huber, die die Partei statt zu neuen Ufern in tiefe Depression führte. Angstgegner sind nicht die Linken, sondern die bürgerlichen Freien Wähler, die das Zeug haben, die Schwarzen aus der als Erbhof betrachteten absoluten Mehrheit zu jagen. Selbst die FDP hat Aussichten, und dank kräftigen medialen Rückenwindes könnte es sogar die kommunistische Linke schaffen.

Eine wankende CSU versetzt aber nicht nur ihre an lebenslange Mandatssicherheit gewohnten Funktionäre im Freistaat in helle Aufregung, sie bringt auch die Wahlarithmetik der Bundes-CDU und ihrer Kanzlerin gründlich durcheinander. Das Versagen des Führungsduos ist dafür nur der aktuelle Auslöser. Die CSU lahmt, weil sie sich selbst ins Knie geschossen hat, und das nicht erst mit dem Absägen Edmund Stoibers. In den letzten drei Jahrzehnten haben die alleinregierenden Christsozialen zwar unter dem Beifall linker Medien jeden Ansatz einer rechtsdemokratischen Konkurrenz bekämpft - ob Republikaner, Bund Freier Bürger oder andere -, dabei aber ihren eigenen Anspruch als feste rechte Säule der Union im Bund bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen. Wohl herrschen bei den inhaltlich wenig homogenen Freien Wählern, die durchaus in der Lage wären, enttäuscht ins Nichtwählerlager abgewanderte Konservative anzusprechen, weithin politisch korrekte Bedenken, in diese Lücke vorzustoßen.

Die Union ist jedoch unfähiger denn je, das bürgerlich-konservative bis rechte Wählerspektrum erfolgreich zu integrieren. Die Freien Wähler, weltanschaulich indifferent, schaffen hierfür ein erstes kräftiges Ventil. Das bayerische Beispiel könnte Schule machen: Auch in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind sie ein starker kommunaler Faktor, der sich den herkömmlichen Parteien verweigert und Bürgerinteressen in den Vordergrund stellt. Es kann für die Union nur heilsam sein, wenn sie politisch nicht nur von links unter Druck gerät. Die politische Landschaft ist endlich wieder in Bewegung.

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