© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/08 19. September 2008

Meldungen

Polemik in Permanenz:Gegen deutsche Bildung

FRANKFURT/MAIN. Da hat jemand seinen Pierre Bourdieu aber gelesen: "Bildungsdebatten finden nicht in einem gesellschaftsneutralen Raum statt, sondern werden in Feldern organisiert, in denen es um die Sicherung hegemonialer Strukturen geht, die sich auf der Basis widersprüchlicher gesellschaftlicher Verhältnisse herausformen." Aber wessen Hegemonie soll eigentlich in der permanenten Polemik gegen den spezifisch "deutschen" Bildungsbegriff zementiert werden? So fragt der Pädagoge Armin Bernhard (Universität Duisburg-Essen), dem aufgefallen ist, daß im Kontext der Plädoyers für eine "Modernisierung der Lernverhältnisse" ausschließlich die "negativen Seiten der bürgerlichen Bildungstheorien" thematisiert werden (Pädagogische Rundschau, 3/08). Dabei geraten "antifaschistische Kritiker" deutscher Bildung wie Wolf Lepenies und Michael Naumann in Bernhards Visier. Im Falle von Lepenies scheint sich dieser Ansatz bestens mit dem neoliberalen Ökonomismus des US-Beratungsgiganten McKinsey zu vertragen, auf dessen Bildungskongreß der Berliner Soziologe die deutsche Bildungsidee als Element nationalistischer Hybris diffamierte und Humboldt zum Urheber des "Faschismus" degradierte. Der "fast schon an die Ideologie des Antideutschen erinnernde Pannationalismus, mit dem die Bildungstheorien bei Lepenies und Naumann belegt werden", denunziere ein Ideenspektrum, das zwar dem 19. Jahrhundert entstamme, das aber immer noch zu "kritischer gesellschaftlicher Selbstreflexion" tauge. Insoweit stecke in "deutscher Bildung" ein "widerständiges Moment", das diesen Apologeten des hegemonialen Neoliberalismus den Weg versperre zur reibungslosen Nutzung menschlichen "Humankapitals".

 

Würdigung für den "schwarzen General"

HANAU. Während in Berlin ein Gymnasium den Namen des 20. Juli-Generals Erich Hoepner einbüßt (JF 24/08), benennt die Stadt Hanau jetzt eine Straße nach Generalleutnant Theodor Groppe (1882-1973). Der Magistrat will "den schwarzen General", der von 1936 bis 1944 in Hanau wohnte, wegen seiner couragierten Haltung gegen NS-Unrecht ehren, wie Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) begründete. Der engagierte Katholik Groppe wies als Kommandeur einer Infanteriedivision am Westwall 1939 seine Soldaten an, Juden vor einem "spontan" organisierten Pogrom des örtlichen NSDAP-Kreisleiters zu schützen. Nach offener Agitation gegen die SS-Aktion "Lebensborn" wurde Groppe degradiert und ab August 1944 schließlich inhaftiert. Im April 1945 konnte er unmittelbar vor seiner Hinrichtung fliehen. 1952 wurde der 70jährige von der Bundesregierung wieder als Generalleutnant a.D. rehabilitiert und auch von Papst Pius XII. geehrt.

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