© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/08 05. September 2008

Leserbriefe

Zu: "Das deutsche Interesse" von Michael Paulwitz, JF 35/08

Peinliches Anbiedern einstellen

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, mit welcher Kaltschnäuzigkeit die USA nach dem Ende der Sowjetunion die Südkaukasusregion zum amerikanischen Interessengebiet erklärt haben. Der Grund hierfür ist eindeutig in strategischen und rohstofforientierten Ambitionen zu suchen. Zum einen soll mit dem zukünftigen Nato-Mitglied Georgien dem eisernen Ring um Rußland ein weiteres Glied hinzugefügt werden, zum anderen wollen sich die USA die Öl- und Gasvorräte der Kaspischen Region unter den Nagel reißen.

Da die amerikanischen Militärberater in Georgien Saakaschwilis dummes und naives Vorgehen nicht gebremst haben, ist das gesamte Vorgehen als gezielte Provokation gegen Rußland anzusehen.

Deutschland sollte das peinliche Anbiedern an die USA einstellen, denn unsere wirtschaftliche und strategische Zukunft liegt nicht jenseits des Atlantik, sondern in der östlichen Nachbarschaft der sich festigenden Großmacht Rußland. Die weitaus meisten Deutschen wünschen sich ein Fortbestehen des bisher guten Verhältnisses zu Rußland und haben nicht das geringste Interesse, von den USA und unserer Kanzlerin in einen neuen Kalten Krieg manövriert zu werden.

Klaus Grünert, Söllichau

 

 

Zu: "Mal kurz verzockt" von Michael Paulwitz, JF 36/08

Warum unterschiedliche Politik

Wenn es ein Selbstbestimmungsrecht der Völker gibt, dann muß es doch jedem Volk freigestellt sein, über seine Staatsform selbst zu entscheiden. Das muß dann allen Völkern gewährt werden, und es geht nicht an, daß man das den Völkern in Jugoslawien gewährt und jenen in Georgien verwehrt. Hierüber entscheidet dann allein das betroffene Volk, keine Uno, EU, USA oder Rußland, auch wenn man noch so viel darüber diskutiert. Allerdings, wenn ein Volk sich für die Selbständigkeit entscheidet und nicht lebensfähig ist, kann es nicht damit rechnen, von der Völkergemeinschaft unterstützt zu werden.

Was soll also zum Beispiel die unterschiedliche Politik Deutschlands im Falle Kosovo und Südossetien? Durch die entgegengesetzten Aussagen zum Selbstbestimmungsrecht dieser beiden Länder wird insbesondere die deutsche Kanzlerin unglaubwürdig.

Jürgen Schulz, Buchholz

 

 

Zur Meldung: "Joseph Bernhart", JF 36/08

Meilenweit von Guardini weg

So sehr der Hinweis auf Herausgabe politischer und kultureller Texte von Joseph Bernhart zu begrüßen ist, so befremdlich wirkt die damit verbundene Abqualifizierung des großen Romano Guardini als "Modedenker". Bernharts Analysen bewegen sich oft am Rande des Kitschs, mit Nähe zu manichäischen Ansichten. Er hat sein Scheitern am Priesterzölibat im Gegensatz zum bedeutenderen Schlesier Joseph Wittig (1879-1949) nie wirklich verarbeitet. Im Rang als Denker, Religionsphilosoph und Schriftsteller ist er meilenweit von Guardini entfernt, auch in seiner Geschichtstheologie erreicht er nirgends den Tiefgang etwa eines Reinhold Schneider (1903-1958).

Dr. Stefan Hartmann, Oberhaid

 

 

Zum Schwerpunktthema: "Neue Eiszeit", JF 35/08

Stalinsche Grenze verteidigen?

Ich frage mich, warum die deutsche Politik so unfähig, so blind ist, die Vorgeschichte des ossetischen Konflikts zur Kenntnis zu nehmen. Wenn es ein "Südossetien" gibt, muß es doch auch ein "Nordossetien" geben. Also muß es sich um ein und dasselbe Volk handeln. Warum aber lebt dieses ossetische Volk heute in zwei verschiedenen, sich zunehmend polarisierenden Staaten? Die Antwort ist ganz einfach: Stalin war es, der zur Zeit der administrativen Neugliederung der Sowjetunion dieses Volk geteilt hat: Nordossetien schlug er der RSFSR zu, der andere Teil, Südossetien, ging an die Georgische SSR. Zu Zeiten der noch intakten Sowjetunion spielte das kaum eine Rolle; man konnte hin und her reisen und Kontakte pflegen.

Heute, im Zeitalter der US-Globalisierung, wird das nun zu einem internationalen Konfliktherd. Zwei völkerrechtliche Prinzipien stehen einander gegenüber: das Territorialprinzip, das Georgien, die USA und auch die deutsche Politik vertreten, und das Personalprinzip, das das heutige Rußland vertritt. Was ist nun wichtiger: der Quadratmeter Boden oder der Mensch?

Nichts ist wohl natürlicher, als daß Osseten zu Osseten wollen, daß sie als Volk wiedervereinigt sein wollen. Gerade wir Deutschen sollten dafür Verständnis haben! Warum muß man sich so vor den amerikanischen Karren spannen lassen? Und eine Stalinsche Grenzziehung so verbissen verteidigen? Warum war Saakaschwili nicht bereit, den Südosseten innerhalb seines Staates großzügig Autonomie zu gewähren, statt ethnische Säuberungen via Einmarsch zu praktizieren? Warum hat er so leichtfertig den "Russen", die einst schuld an der Teilung waren, den Trumpf zugespielt, jetzt als "Befreier" auftreten zu können?

Peter Bucher, Alling/Obb.

 

 

Zu: "Neue Zeiten, neue Sitten" von Doris Neujahr, JF 35/08

Schlechter Treppenwitz

Auf die Frage im letzten Satz des Artikels kann man nur antworten: Ja, natürlich, was sonst! Unsere "kritischen" Intellektuellen und Kabarettisten sind so lange mutig, wie sie für ihren Mut oder ihre Zivilcourage gelobt, mit Preisen ausgezeichnet, gut bezahlt und bejubelt werden. Wenn es ernst wird wie beim Islamismus, kneifen sie sofort. Man kann sich gut vorstellen, welchen Mut und welche Courage diese Typen nach 1933 wirklich entwickelt hätten. Daß sich solche Opportunisten und Feiglinge aber über Jahrzehnte als "Querdenker" und "Aufklärer" verkaufen konnten, zählt zu den weniger guten Treppenwitzen der Nachkriegsgeschichte.

Dr. Michael Müller, Dortmund

 

 

Zu: "Geboren in Breslau/Polen" von Mat-thias Bäkermann, JF 35/08

Nicht im Ausland geboren

In meinen Augen handelt es sich bei der gewählten Schreibweise um eine bewußte Provokation, denn bei den aufgeführten Daten wird unter der Nr. 9 der "Geburtsstaat (ausgefüllt bei Geburt im Ausland)" verlangt. Wer in seinen Daten bei "Breslau" den Zusatz "Polen" stehen hat, aber andererseits unter Nr. 9 keine Angaben vermerkt sind, bekommt dokumentiert, daß er eben nicht im Ausland geboren ist. Das ist ein Widerspruch, der auch der Frau Amtsrichterin hätte auffallen müssen.

Der Hinweis, daß der Zusatz Polen notwendig sei, weil es im kanadischen Ontario auch einen Ort namens Breslau gibt, besticht durch seine Schlichtheit. In diesem Fall hätte dann nämlich unter Nr. 9 "Kanada" stehen müssen.

Berthold Blomeyer, Bürgstadt

 

Dutzende von Fällen

Was in dem Artikel als Tendenz kritisiert wird, ist längst Realität. Ich könnte Ihnen Dutzende von Fällen von Schlesiern aufzählen, die vor 1945 in Schlesien geboren wurden, beim Einwohnermeldeamt ihre Geburtsurkunde vorlegten mit dem deutschen Namen des Geburtsortes, und trotzdem in den Paß hineingeschrieben bekamen: "Geboren in Gliwice" statt "in Gleiwitz". Diese Leute haben sich durch Gerichtsinstanzen nach oben gekämpft und dennoch kein Recht bekommen. Bei uns sitzen überall in der Verwaltung Leute, die nach 1945, nach 1965, nach 1985 geboren wurden und über keinerlei Geschichtskenntnisse mehr verfügen. Sie legen dann sogar geborenen Schlesiern Landkarten vor, und da liegen eben Breslau, Liegnitz, Oppeln in Polen.

In Bonn hat 1998 der 1935 in Stolp geborene Pommer Ernst Kutschke das Bundesverdienstkreuz bekommen. Im General-Anzeiger stand: "der gebürtige Pole". In einer Bonner Ausstellung "Arktis-Antarktis" wurde der Danziger Astronom Johannes Hoewelke (17. Jahrhundert) als "polnischer Astronom aus Gdańsk" geführt. Im "Emslandmuseum" in Lingen/Niederrhein wurde eine Ausstellung "Alte Heimat - Neue Heimat" gezeigt. Im Begleitbuch stand ein Interview mit einem Schlesier, der 1926 im Eulengebirge geboren worden war. Die junge Journalistin Heike Rath fragte ihn allen Ernstes: "Konnten Sie als Kind Polnisch?"

Diese Aufzählung ließe sich seitenlang fortsetzen.

Jörg B. Bilke, Bad Rodach

 

 

Zu: "Jugendorganisation droht das Aus" von Felix Krautkrämer, JF 35/08

Eine Schraube locker

Wenn ein Landrat ein Jugendlager schließt, weil dort Kinder zu "der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern" herangebildet werden und eine "heimattreue Jugendbewegung nach Folklore und altdeutschen Liedern gelebt worden sei", beschleicht mich der Verdacht, daß bei den Verbotskadern mehr als eine Schraube locker ist. Mit der Argumentation könnten auch alle Trachten- und Schützenvereine, die Gebirgsschützen, Volksmusikgruppen und Chöre verboten werden.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: "Der Glanz des Wahren im Taumel der Bilder" von Wolfgang Saur, JF 35/08

Um Menschen zu verunsichern

"Von moderner Kunst zu reden, ist eine mißliche Sache." Wohl wahr, dennoch ist es unumgänglich, dem Niedergang des Ästhetischen in unserer Kultur auf den Grund zu gehen und die dahinter verborgenen Absichten und Ziele des Zeitgeistes aufzuhellen. Die Ausführungen des Autors sind exzellent und treffen den Kern der Entwicklung mit ihren Widersprüchen und Bedenken. Allerdings machen sie halt vor dem tieferen Sinn der Provokation, vor dem Grund der gewollten zerstörenden Auswirkung moderner Kunst auf die Gesellschaftspolitik.

Von allen Hintergründen der Kritischen Theorie ist der Frankfurter Schule und ihren Epigonen die Ent-Ästhetisierung der Kunst am vollkommensten geglückt. Die Dominanz des Häßlichen, Sinnlosen und Anstößigen ist unverkennbar. Sie gibt Raum für Provokation, Veralberung und Verächtlichmachung, deren oberstes Ziel die Verunsicherung von Menschen ist.

Hans-Georg Neumann, Neustadt

 

 

Zu: "Auf die Tatsachen kommt es an" von Andreas Wild, JF 35/08

Frankreich machte mobil

Nachdem der französische Staatspräsident Poincaré am 20. Juli 1914 in Kronstadt das Bündnis Frankreichs mit Rußland ausdrücklich bestätigte, danach unverzüglich nach Frankreich zurückkehrte, am 1. August die Mobilmachung Frankreichs effektiv machte, eine Erklärung dahingehend abgab, daß "Frankreich gemäß seinem Interesse" handeln werde, die Forderung Deutschlands nach Neutralität im Konflikt Deutschland/Rußland sowie die Überlassung einiger französischer Grenzbefestigungen als "Neutralitätspfand" ablehnte, erklärte Deutschland am 3. August Frankreich den Krieg.

Peter Knoll, Germering

 

 

Zu: "Der lachende Dritte" von Klaus Hornung, JF 35/08

Gelacht haben andere

Diese Darstellung des Autors zu dem obigen Thema ist nicht nur unvollständig und falsch, sondern seine Analyse zu den damaligen politischen Geschehnissen ist für die heutigen Geschehnisse (Nato- und USA-Abschußbasen) in diesem Raum (Polen) nicht nur irreführend, sondern auch sehr gefährlich, denn nicht Stalin war damals der "lachende Dritte", sondern diejenigen, die nach 1945 wie schon nach 1918 mit reicher Beute heimgekehrt sind und damit ihre Finanzkrisen beseitigt haben.

Heinrich Tukay, Sachsenheim

 

 

Zu: "Einwanderung verursacht verdeckte Kosten" von Michael Paulwitz, JF 34/08

Gefühlsduselei

Der Respekt vor fremden Kulturen, der die Selbstisolation und Ghettoisierung von Zuwanderern gefördert hat, erweist sich im nachhinein als falsch verstandene Gefühlsduselei auf Kosten der Steuerzahler.

In den USA wird eine bestandene Prüfung in amerikanischem Geschichts- und Staatsbürgerkundeunterricht erwartet, zudem ein Gelöbnis auf die Verfassung, und das alles in englischer Sprache. Beim Pisa-Sieger Finnland gehen nur Kinder auf die Schule, die der Landessprache mächtig sind. Und was passiert hier, im sozialsten Einwanderungsland der Welt? Da leben teilweise Ausländer, die nach 25 Jahren im Land mal gerade unsere Sprache radebrechend beherrschen.

Für eine Industrienation, die auf Intelligenz und Kreativität angewiesen ist, hätte schon lange eine wirkliche Integrationsförderung stattfinden müssen und nicht, wie viel zu lange praktiziert, eine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Daher ist es natürlich wirtschaftlich sinnvoll, hochqualifizierte Experten nach Deutschland zu locken, die dem Land weiterhelfen.

Melanie Huthoff, Tegernsee

 

 

Zu: "Renaissance der Edelmetalle" von Hubert Roos, JF 34/08

Keine konservative Geldanlage

Roos betont in seinem Artikel die Eigenschaft von Gold als "sicherem Hafen" in einer Zeit, in der sich aufgrund von Spekulationsblasen die Unsicherheit in anderen Anlagesegmenten steigert. Diese Ansicht vernachlässigt aber die Gefahr, daß es sich bei Gold selbst um eine Spekulationsblase handeln könnte. Der Goldpreis ist extrem volatil, und es gehört ins Reich der Märchen, daß Gold langfristig immer seine Kaufkraft bewahren würde. Es ist wie jedes andere Gut enormen Wertverschiebungen unterworfen. Momentan hat Gold zum Beispiel gegenüber seinem Rekordhoch im März über 20 Prozent des Werts eingebüßt. Wer 1980 für 600 US-Dollar Gold kaufte, büßte bis heute über 40 Prozent seiner damaligen Kaufkraft ein.

Gold ist ein interessantes Objekt für Spekulanten, und als solches muß es auch betrachtet werden. Von einem "sicheren Hafen" kann bei Gold bei näherem Hinsehen aber keine Rede sein. Es ist seiner Natur nach eine spekulative, keinesfalls aber eine konservative Geldanlage.

Walter Schüle, Ilmenau

 

 

Zu: "Bohrende Fragen an den Staat" von Gabriele Kuby, JF 33/08

Nennt nur Argumente dagegen

Kubys absolute Behauptungen sind wissenschaftlich nicht vertretbar. Sie nimmt keinen Bezug auf die doch erfolgreiche Ausbildung von Krippenschwestern in der Vergangenheit - im Gegensatz zu heute. Es wäre hilfreich für alle Betroffenen und im Interesse der Sache, die Erfahrungen von damals zu nutzen.

Kuby nennt nur Argumente gegen eine frühkindliche Betreuung in einer Kinderkrippe, Vorteile sieht sie jedoch nicht. Zu einer abgewogenen Darstellung des Sachverhaltes gehört aber auch, daß Experten zu Wort kommen, die eine andere Auffassung vertreten. So fehlt jeder Hinweis auf das theoretische Konzept zur Entwicklungspsychologie von Hans-Dieter Schmidt, Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin. Auch die Meinung der Autoren, die die Lehrbücher für die Ausbildung der Krippenschwestern in der DDR verfaßt haben, wäre interessant. Außerdem, wenn schon Kuby Persönlichkeiten aus dem Ausland als "Autoritätsbeweise" anführt, sollte auch Anna A. Ljublinskaja, die russische Kinderpsychologin, zu Wort kommen.

Dr. Dr. Rudolf Jira, Jena

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