© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/08 05. September 2008

US-Präsidentschaftswahl
Der konservative Faktor
Dieter Stein

Die Personalie war ein regelrechter Befreiungsschlag für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, der durch die Obamanie der vergangenen Wochen gegenüber dem demokratischen Herausforderer propagandistisch ins Hintertreffen geraten war. Die Nominierung der unbekannten Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, zur Vizepräsidentschaftskandidatin McCains stellte die Berichterstattung über Obamas Auftritt im Football-Stadion von Denver und dessen Nominierung von Joe Biden als seinen Vize augenblicklich in den Schatten. Alle reden von der flotten Außenseiterin, die das Potential hat, als Frau enttäuschte Hillary-Clinton-Anhängerinnen und als konservative Christin das bibeltreue evangelikale Lager für McCain zu mobilisieren.

Den Ausschlag für Sarah Palin gab wohl das Motiv, einen Coup zu landen, um die Aufmerksamkeit in einem entscheidenden Moment von der auf einer Welle der Sympathie schwimmenden Obama-Equipe abzulenken. Das scheint gelungen zu sein, wenn sich auch die Medien zuletzt am privaten Vorleben der Palins und der Schwangerschaft ihrer 17jährigen Tochter Bristol abarbeiteten. Genüßlich reiten linke Medien auf der vermeintlichen Doppelmoral der Gouverneurin herum, und es deutet sich eine Schlammschlacht gegen die als "unerfahren" gebrandmarkte Kandidatin an. Doch auch "bad news are good news" wissen Wahlkampfstrategen. Besser die Presse beschäftigt sich mit den vermeintlichen Schwächen (verdeckten Stärken!) dieser Frau an der Seite McCains, anstatt wegen des zum Messias stilisierten Obama vollends durchzudrehen.

Bemerkenswert ist nun aus deutscher Sicht, wie selbstverständlich in den USA festgestellt wird, daß die Aufstellung einer als "erzkonservativ" geltenden Kandidatin McCains Wahlchancen vergrößere. Wie das? Palin nämlich kann nicht nur Boden gutmachen, weil sie weiblich und jung ist - McCains Alter gilt als Achillesverse gegenüber dem juvenilen Obama. Als Mutter von fünf Kindern und immer noch mit dem ersten Ehemann verheiratet (McCain ist in zweiter Ehe verheiratet, was in den USA im Gegensatz zu Deutschland ein Grund ist, sich öffentlich rechtfertigen zu müssen) lebt sie das traditionelle Familienbild, und als entschiedene Abtreibungsgegnerin (ihr jüngstes Kind gebar sie bewußt trotz der Diagnose eines Down-Syndroms) kann sie Pluspunkte im konservativen Milieu sammeln, das einen mächtigen Faktor in der amerikanischen Politik darstellt.

In Deutschland wäre eine Frau wie Palin in einer Spitzenposition beispielsweise der Union undenkbar. Warum? Weil es in Deutschland weder ein konservatives Milieu als Faktor noch mächtige konservative "Pressure Groups" gibt wie in den USA. Die bürgerliche Rechte in Deutschland - ob christlich oder säkular - ist politisch weitgehend impotent. Unter Druck gesetzt werden die bürgerlichen Parteien nicht von rechts, sondern von links. Parteien sind Chamäleons. Sie passen sich der Umgebung an, um zu überleben. Was wir daraus lernen können? Wir brauchen konservative Initiativen, Netzwerke, Medien, die der Politik Beine machen - wie in den USA.

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