© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/08 29. August 2008

Frisch gepresst

Greifswald. Der 550. Geburtstag der pommerschen Landesuniversität im Jahre 2006 hat nicht gerade eine Publikationswelle ausgelöst, aber einen kräftigen wissenschaftshistorischen Schub gab es schon. Motor vieler Forschungsprojekte war der Leiter des Greifswalder Universitätsarchivs, Dirk Alvermann. Er gab auch zusammen mit Nils Jörn und Jens E. Olesen den Band "Die Universität Greifswald in der Bildungslandschaft des Ostseeraums" (LIT-Verlag, Berlin 2007, broschiert, 396 Seiten, 39,90 Euro) heraus, dessen Schwerpunkt in der Frühen Neuzeit liegt. Ausflüge ins 19. und 20. Jahrhundert riskieren Trude Maurer und Witold Molik mit ihren Studien zur "Studentenmigration" aus Osteuropa. Molik, der seit zwanzig Jahren die Spuren polnischer Studenten an deutschen und westeuropäischen Universitäten verfolgt, weist zwischen 1835 und 1918 exakt 678 Studenten polnischer Nationalität nach, die zumeist aus dem preußischen "Teilungsgebiet", also aus den Provinzen Posen und Westpreußen, kamen und sich überwiegend für Medizin oder Agrarwissenschaften entschieden. Damit habe die Universität Greifswald nicht wenig zur "Ausbildung der polnischen Inteligenzija" und damit fundamentalistischer Feinde Preußens im "Nationalitätenkampf" beigetragen. Anders als Maurer, die unter den "rußländischen" Studenten nach Deutschbalten, Juden und Russen differenziert, sagt Molik leider kein Wort über den jüdischen Anteil unter seinen Probanden, die im kleinstädtisch-bürgerlichen Milieu zwischen Lissa und Graudenz keine kleine Rolle spielten. Einfacher hat es da Simone Giese, die den studentischen Zuzug aus dem ethnisch homogenen Schweden beleuchtet. Überhaupt finden die Beziehungen zum nördlichen Nachbarn, der sich Vorpommern eine Zeitlang einverleibt hatte, stärkere Beachtung, wenn es um die Rezeption schwedischen Rechts in der Greifswalder Juristenfakultät oder darum geht, was die Jurastudenten aus dem Herzogtum Finnland dorthin zog. Einen wertvollen Beitrag zur Geistesgeschichte Pommern liefert Detlef Döring mit seiner Untersuchung über "Gelehrte Gesellschaften in Pommern im Zeitalter der Aufklärung".

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