© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/08 22. August 2008

Neue Zeiten, neue Sitten
Islamkritik II: Warum der Kabarettist Bruno Jonas keine Tabus mehr brechen, sondern nur noch unterhalten will
Doris Neujahr

Seit über dreißig Jahren produziert der Kabarettist Bruno Jonas sich als mutiger Mann, der es den Bösewichtern dieser Welt aber gibt! Ach, was haben wir gelacht (und mit ihm gezittert), wenn er in der ARD-Sendung "Scheibenwischer" dem Stoiber und seiner abenteuerlicher Syntax heimleuchtete und dem Huber, Erwin, weil der so deppert ist! Und wenn er über das Sex-Leben in den Priesterseminaren lästerte oder über den deutschen Spießer und die Neonazis und die Ausländerfeinde. Der traut sich was! dachten wir, und: Wie lange das wohl gutgeht? Vor allem aber richteten wir uns an ihm auf. Solange es Menschen wie Bruno Jonas gibt, glaubten wir, die dem Unrecht lautstark widerstehen, dann wird uns, wenn es in Deutschland hart auf hart geht, gewiß auch das Rettende erwachsen! Und er stand ja nicht allein! Der deutsche Kultur-, Medien- und Politikbetrieb ist voll von prachtvollen Menschen seiner Art.

Nun hat aber er unlängst der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit ein Interview gegeben, das uns verblüfft und irritiert. Es gehe ihm nur um "Unterhaltung in Form der Satire", die Leute seiner Generation - er ist Jahrgang 1952 - würden "alle hundert, die wollen unterhalten werden. Das ist eine Riesenaufgabe." Wollten Jonas und Genossen nicht einst Tabus aufbrechen, mit ihren spezifischen Mitteln politisch eingreifen, die Gesellschaft demokratisieren und und und? Und haben nicht er und seinesgleichen tatsächlich den Takt angegeben und die Wortwahl bestimmt? Woher die plötzliche Bescheidenheit?

Nun, Jonas realisiert die Konsequenzen des eigenen Erfolgs. Das waren noch Zeiten, als ein Verfahren wegen Religionsbeschimpfung im tiefkatholischen Passau als Ausweis von Courage galt! "Das ging aber alles sehr rechtsstaatlich zu, es wurden keine Fahnen verbrannt, es gab keine Tumulte, man kriegte eine Vorladung, konnte die Aussage verweigern und anschließend wieder nach Hause gehen." Heute wäre er sich da nicht mehr so sicher. Auf die Frage nach den Möglichkeiten der Islamkritik sagt er: "Ich finde die Erfahrungen mit dem Karikaturenstreit so extrem, daß ich mich hüten werde, auf der Bühne das Falsche zu sagen." Und dieser Kniefall vor den Islamisten "betrifft uns alle. Ich glaube nicht, daß die Zeit sich da ausnehmen kann, und ebensowenig glaube ich, daß das Kabarett hier verpflichtet ist, als Speerspitze zu agieren." War die emanzipatorische Kultur à la Jonas & Zeit jemals mehr als eine hohle, weil unbeglaubigte Pose?

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