© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/08 08. August 2008

WIRTSCHAFT
Vorruhestand heißt Verzicht auf Wachstum
Jens Jessen

Als vor zwei Jahrzehnten der gleitende Renteneintritt eingeführt wurde, galt es das Problem der auf den Arbeitsmarkt drängenden geburtenstarken Jahrgänge zu entschärfen. Der sogenannte Vorruhestand war jedoch ein Flop. Wer bei der demographischen Situation des 21. Jahrhunderts wider alle Vernunft dieses Konzept beibehalten will, ist ein durch Denkblockaden gekennzeichneter Reaktionär. Daß die IG Metall auf der Altersteilzeit beharrt, ist als Schlag gegen die ungeliebte Erhöhung des Renteneintrittsalters zu verstehen. Diesen Gewerkschaftern fehlt die Einsicht in ökonomische Zusammenhänge. Die Politik hätte in solchen Fällen dafür zu sorgen, diesen Unsinn zu verhindern. Die einstige Arbeitnehmerpartei SPD jedoch ist, wie so häufig in den vergangenen Monaten, völlig orientierungslos und politikunfähig.

Weder das Ziel, älteren Mitarbeitern einen gleitenden Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen, wurde erreicht noch die Einstellung von Arbeitslosen in die Teilzeitstellen. Über 90 Prozent der von der Bundesagentur für Arbeit (BA) Geförderten wählten das Blockzeitmodell, das dazu führt, daß die Geförderten Vollzeit arbeiten, um sich in der Restzeit bis zum Renteneintritt um ihre Hobbys zu kümmern. Nur für 20 Prozent der direkt geförderten Altersteilzeitstellen konnte die BA 2007 einen Arbeitslosen aus ihrer Statistik streichen. Die Folgen sind bedrohlich. Der Mangel qualifizierter Arbeitskräfte verringert das Wachstum in Deutschland deutlich. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat berechnet, daß das Bruttoinlandsprodukt 2006 zusätzlich um 2,9 Prozent gestiegen wäre, wenn alle Vorruheständler voll in den Beruf zurückgekehrt wären. Die Beitrags- und Steuerzahler hätten dadurch um 3,7 Milliarden Euro entlastet werden können.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen