© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

"Mit dem Jammern endlich aufhören"
Interview: Axel Sehlhoff, Geschäftsführer eines weltweit tätigen Ingenieur- und Architektenbüros, über die Aussichten als Mittelständler
Wolfhard H. A. Schmid

Herr Sehlhoff, Ihr Ingenieurbüro wurde von der Wirtschaftsinitiative "TOP Job" als einer der 100 besten mittelständischen Arbeitgeber ausgezeichnet. Sie haben 135 Mitarbeiter am Stammsitz in Vilsbiburg sowie in den dreizehn in- und den drei ausländischen Niederlassungen. Ihre Kunden sind die öffentliche Hand und Firmen der Automobil- und Chemiebranche. Es ist bekannt, daß dieser Kundenkreis besonders gegenüber mittelständischen Geschäftspartnern gerne dazu neigt, die Preise zu drücken - ein Problem auch für Sie?

Sehlhoff: Nein! Man darf uns als technischen Dienstleister nicht mit der Zulieferindustrie vergleichen. Wir arbeiten nach Aufwand und unsere Stundensätze werden festgesetzt. Es gibt mit unseren Kunden auch pauschale Honorarvereinbarungen. Unsere Idee, Projekte mit dem Bonus-Malus-System abzurechnen, läßt sich aber nur schwer verwirklichen. Verständlich, wenn wir Generalunternehmer bzw. Konsortialführer sind, weil dann die Preisgestaltung mit den für die Projektumsetzung beauftragten Firmen von uns beeinflußt wird. Es funktioniert in manchen Fällen aber recht gut, wenn der Kunde durch unsere Arbeit 100.000 Euro einspart und wir davon zehn Prozent erhalten.

Wo sehen Sie Ihre Stärken gegenüber den großen Ingenieurbüros?

Sehlhoff: Die Großen in Deutschland sind inzwischen fast alle von ausländischen Ingenieurbüros übernommen worden. Heutzutage ist es ein Fakt, daß "der Schnelle den Langsamen frißt" - wegen unserer internen kurzen Entscheidungswege: unser Vorteil gegenüber den Großen. Der Auftraggeber, gleichgültig welcher Größenordnung, sieht für schnelle und pragmatische Beschlüsse immer den Entscheidungsträger unseres Hauses. Bei Sehlhoff ist die Qualität entscheidend. Wir streben langfristige Kundenbindungen an. Deshalb ist Kundenzufriedenheit unser höchstes Gebot. Daß dies funktioniert, bestätigt uns ein langfristiger Kundenstamm.

Ihre Projekterfahrung haben Sie in England, Griechenland und Österreich, vor allem aber in den Balkanländern, der Ukraine, Thailand und in der Türkei gesammelt. Was ist der Grund dafür?

Sehlhoff: In den klassischen EU-Ländern ist es schwer, an Kunden zu kommen. Für diese Projekte muß man einiges investieren und hat selten Erfolg. Besser ist es, man geht mit deutschen Firmen ins Ausland. Als Beispiel möchte ich ein Projekt in der Toskana nennen, wo wir für die TUI arbeiten.

Wie funktioniert bei Ihrem breiten Kundenprofil Ihr Vertrieb?

Sehlhoff: Mein Bruder bearbeitet den deutschen und ich die Exportmärkte. Die Informationen zu Ausschreibungen erhalten wir über das Internet, die Weltbank oder auch über die Förderbank KfW. Über gute Kundenbetreuung gibt es Anschlußaufträge - das ist sehr wichtig! In Ägypten bemühen sich zwei einheimische Kollegen um Aufträge.

Sie waren für ein Projekt in China tätig. Gibt es da keine Sorge vor einem Know-How-Diebstahl und anderen Problemen?

Sehlhoff: Ein Projekt in China kommt für uns nur in Frage, wenn ein deutsches Unternehmen der Auftraggeber ist. Für eine direkte Bearbeitung ist der chinesische Markt zu kompliziert, zu schwer und in den Anlaufkosten zu teuer. In Rußland sind wir aktiv, in Libyen wickeln wir gerade einen Auftrag ab. Aus Kostengründen sind uns diese Länder lieber als Indien oder China.

Ihr Unternehmen wurde 1966 gegründet. Sie haben seither sicher auch so manche Höhen und Tiefen erlebt.

Sehlhoff: Als unser Vater 1999 als alleiniger Gesellschafter tragisch ums Leben gekommen war, standen sofort die Banken bei uns an, weil das Unternehmen stark verschuldet war. Wir mußten erfahren, daß unser Vater jahrelang aus seinem Privatvermögen Gelder in die Firma gesteckt hatte, um während der damaligen Rezession im Baugewerbe keine Mitarbeiter entlassen zu müssen. Wir haben daraufhin unsere Verkaufsaktivitäten in Richtung Industrie verstärkt und konnten trotz der Rezession sehr bald schuldenfrei weitermachen.

Seit einiger Zeit ist in der deutschen Politik wieder ein Linkstrend zu beobachten. Was bedeutet das für Sie als Mittelständler?

Sehlhoff: Ich würde es für gut halten, wenn sich die Politiker aus der Wirtschaft heraushielten. Politiker in Aufsichtsräten - wo ist da noch die Unabhängigkeit? Was den Linkstrend anbetrifft, denke ich, daß sich die Situation wieder normalisieren wird, wenn potentielle Wähler feststellen, daß hier Dinge versprochen werden, die nicht finanzierbar sind.

Wie sehen Sie Ihre eigene und die Zukunft des deutschen Mittelstandes?

Sehlhoff: Die Risiken sind nicht sehr hoch, vorausgesetzt, daß man sich vernünftig informiert. Die Chancen sind dagegen sehr hoch. Bei uns wird der Umweltbereich wegen seiner Entwicklungsfähigkeit große Bedeutung haben. Auch in den Schwellenländern wird Müllentsorgung, Wasser- und Abwasseraufbereitung immer wichtiger.

Mit einem Anteil von über 60 Prozent am Bruttosozialprodukt ist die mittelständische Wirtschaft der bedeutendste Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Wegen ihrer heterogenen Struktur ist sie in der veröffentlichten Meinung aber nur unterrepräsentiert. Aus Ihrer Sicht ein Nachteil?

Sehlhoff: Meine Antwort lautet: "Selbst ist der Mann!" Wenn wir uns auf die Politik oder die Industrie- und Handelskammern verlassen hätten, wären wir schon längst kaputt.

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie für Ihre Firma durch die EU-Erweiterung?

Sehlhoff: Ich sehe letztendlich in der Erweiterung der EU eine Chance. Viele Bürger haben Angst bezüglich der Neumitgliedschaft von Bulgarien und Rumänien. Der Kostenvorteil dieser Länder pendelt sich irgendwann auf ein allgemeines Niveau ein. In Polen verdient ein Ingenieur inzwischen genausoviel wie in Deutschland. Ich sehe die Chance, daß sich die Löhne irgendwann angleichen werden.

Immer mehr Richtlinien kommen aus Brüssel. Erschwert das Ihre Arbeit?

Sehlhoff: Nein! Unsere Arbeit wird davon nicht betroffen. Typisch deutsch - wir sind immer die Ersten, die neues EU-Recht umsetzen. Wenn man in andere europäische Länder schaut, sieht es da ganz anders aus.

Der Nobelpreis für Chemie ging letztes Jahr an den Deutschen Gerhard Ertl, der für Physik an Peter Grünberg. Beide haben das weltweit angesehene deutsche Universitätsdiplom gemacht. Die EU hat hingegen durch den Bologna-Prozeß das US-Bildungssystem mit Bachelor und Master adaptiert. Wie sehen Sie diese Problematik in Hinblick auf Ihren akademischen Nachwuchs?

Sehlhoff: Das ist schon eine gewisse Abwertung, besonders im Hinblick auf die Forschung und Entwicklung. Für uns als mittelständisches Unternehmen ist es nicht entscheidend, einen Absolventen von einer TU oder FH zu bekommen. Für uns ist entscheidend, was der Mensch aus seiner Ausbildung macht. Der Ingenieurmangel ist grundsätzlich ein Fakt. Wir bekommen aber unseren Ingenieurnachwuchs. Dabei ist unsere gute "TOP Job"-Bewertung sicher ein Vorteil. Auf die Idee, Fachkräfte einwandern zu lassen und dabei die Politiker um Unterstützung zu bitten, darauf kommen wir wirklich nicht. Das Problem muß ich als Unternehmer selbst lösen - und in die Ausbildung investieren. Dabei gilt es, flexibel zu sein und so zu agieren, daß der Mitarbeiter spürt, wir als Unternehmer wissen, daß seine Arbeit für das Unternehmen das Wertvollste ist. Das Allerwichtigste in dieser Hinsicht ist für mich, mit dem Jammern endlich aufzuhören.

Foto: Sehlhoff-Zentrale Vilsbiburg: Politiker in Aufsichtsräten - wo bleibt da noch ihre Unabhängigkeit?

 

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