© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Aufgeschnappt
Kritik und Selbstkritik
Matthias Bäkermann

Für den als "menschlich nicht unproblematisch" geltenden Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch gehört das Bekenntnis für Toleranz und Zivilcourage zum dienstlichen Ritual. Auch innerhalb seiner Behörde postuliert der 61jährige Beamte mit SPD-Parteibuch gern, daß "das Einräumen von Fehlern ein Zeichen von Größe und Stärke ist", deshalb müsse es "nicht bestraft, sondern belohnt werden". Viele Berliner Polizisten fühlten sich vielleicht auch deshalb ermutigt, einmal ihre Meinung kundzutun und Glietschs Flaggenpolitik in der Hauptstadt intern zu kritisieren.

Als sie nämlich per Mail eine Einladung zum Hissen der Regenbogenfahne vor dem Präsidium während der Christopher-Street-Day-Woche bekamen, machten einige Beamte ihrem Ärger Luft. "Ich finde es zudem nicht ausgewogen, als Polizist während der EM weder am Dienstfahrzeug noch an der Uniform die deutsche Flagge tragen zu dürfen, aber zum Hissen der Regenbogenflagge eingeladen zu werden", mokierte sich ein Beamter. Andere fanden das öffentliche Bekenntnis für die Schwulenbewegung nicht adäquat und rieten, daß "die Träger der rosa Zipfelmützen in der ersten Reihe stehen" sollten. Dummerweise wurden die Antworten nicht nur an den Sachbearbeiter zurückgesendet, sondern durch falsche Schaltung an den kompletten Verteiler inklusive Polizeiführung. Die allzu freie Rede hat jetzt ein behördeninternes Nachspiel - 29 Beamte müssen "in persönlichen Gesprächen" gegenüber Glietsch darstellen, was an dem symbolischen Akt mit der Regenbogenfahne denn zu kritisieren sei. Auf die unbequemen Polizisten dürfte dann wohl keine "Belohnung" ihres toleranten Dienstherrn warten.

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