© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Debatte
Links und Rechts
Dieter Stein

Die Wochenzeitung Die Zeit titelte in der vergangenen Woche mit dem Thema "Wie ticken die Linken?" Bei repräsentativen Umfragen wurde ermittelt, daß der Anteil derer, die sich "links der Mitte" einordnen, seit 1980 von 22 auf 33 Prozent im Jahre 2007 gestiegen ist. Die Linke ist nicht erst seit der Linkspartei im Kommen. In dieser Woche will man nun der Frage nachgehen, wie die "Schwarzen" ticken. Im Kleingedruckten heißt es, bei dieser Untersuchung seien "die Rechten" dran.

Einem zivilgesellschaftlich wohlerzogenen Deutschen des Jahres 2008 läuft bei dieser Formulierung ein Schauer über den Rücken, wenn er hört, etwas lesen zu müssen, wie "die Rechten" ticken. Worum kann es bei diesem Gegenstand gehen: Marschierende NPD-Horden, kahlgeschorene Jünglinge mit Nietenhosen, Wotan anbetende Walküren? Andere Schlüsse lassen inzwischen auch in Bayern durch Schirmherrschaften von CSU-Innenministern staatlich geadelte "Kampf gegen Rechts"-Projekte nicht zu.

Es ist ein Eiertanz, der aufgeführt wird, wenn in Deutschland das politische Spektrum gleichmäßig entfaltet werden soll. Längst vergangen sind die Zeiten, als eine FDP stolz reklamierte, den parlamentarischen Platz rechts der in der Tradition des katholischen Zentrums stehenden CDU/CSU einzunehmen. Bis in die siebziger Jahre war es im Volksmund unproblematisch, eine bürgerlich-konservative, nationalliberale Position auch mit "rechts" zu umschreiben.

Es ist eine massenpsychologisch phänomenale Leistung der Linken und der linksliberalen Medien, den "rechten" Standort systematisch unmöglich gemacht zu haben. In einer langfristig angelegten Kampagne ist es gelungen - auch dank der mangelnden Gegenwehr des bürgerlichen Lagers -, den Begriff der "Rechten" zu einem politischen Niemandsland zu machen, einem Ort, der mit Extremismus gleichgesetzt ist.

Hinzu kommt, daß in Deutschland die Begriffe "links" und "rechts" im Gegensatz zum angelsächsischen oder französischen Sprachraum eine schwächere Tradition haben. Während es in London normal ist, Labour links und Tories rechts zu sehen, in Paris selbstverständlich zwischen "gauche" und "droite" unterschieden wird, tummeln sich im harmoniesüchtigen Deutschland am liebsten alle in der "Mitte". Wobei es jedoch im Zweifel unter Intellektuellen zum guten Ton gehört, sich "irgendwie links" einzuordnen. Wer hier einen Konformitätsdruck leugnet, will den Realitäten nicht ins Auge sehen. Es gehört ungeheurer Mut dazu, wie ihn Botho Strauß in seinem Essay "Anschwellender Bocksgesang" bezeugt hat, sich als "Rechtsintellektueller" zu outen. Links zu sein, sich links zu geben ist der langweilige, opportunistische Normalfall in Deutschland. Von einer intakten Demokratie wird man in Deutschland erst wieder sprechen können, wenn die Quarantäne, die über den Begriff der "Rechten" im öffentlichen Diskurs verhängt wurde, aufgehoben ist.

Wie ticken die Rechten? Wer dies wissen will, sollte am besten diese Zeitung lesen.

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