© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

Rückhaltloses Ja zum totalen Staat
Vizekanzler Franz von Papens Versuch, nach dem Reichskonkordat im Juli 1933 mit dem Verbandskatholizismus Einfluß auf den NS-Staat zu nehmen
Manfred Müller

Alle Glocken der Benediktinerabtei Maria Laach in der Eifel läuteten, als am 22. Juli 1933 Abt Ildefons Herwegen an der Klosterpforte Vizekanzler Franz von Papen begrüßte und zur Klosteraula führte. Dort erwarteten den hohen Gast die Teilnehmer der dritten soziologischen Sondertagung des Katholischen Akademikerverbandes (21.-23. Juli 1933). Papen war aus Rom angereist. Im Vatikan hatte er am 20. Juli zusammen mit Kardinalstaatssekretär Pacelli das Reichskonkordat unterzeichnet (siehe Artikel Seite 21). Den katholischen Akademikern wollte Papen nun diesen Vertrag in seinem Sinne deuten.

Papens Ziel war ein "christliches Reich deutscher Nation" auf autoritärer Grundlage, das im Zusammenwirken des Nationalsozialismus, den Papen als eine große Volksbewegung sah, mit den deutschnationalen bürgerlichen Schichten und den christlich-konservativen Kräften Wirklichkeit werden sollte. Das Reichskonkordat schien ihm auf diesem Wege ein großer Schritt vorwärts zu sein. Seine Glaubensgenossen, die katholische Akademikerschaft, forderte Papen auf, eine "Kampftruppe für den aktiven Einsatz des deutschen Katholizismus auf dem nationalen Gebiete" zu sein und mit neuer Energie für den Aufbau des Reiches einzutreten.

Papen, der stark unter dem Einfluß seines Mitarbeiters Edgar Julius Jung stand (eines jungkonservativen Vordenkers protestantischer Konfession), hatte hierfür am 3. April 1933 den Bund "Kreuz und Adler" gründen lassen, dessen Schirmherr er wurde. Schon die Symbolik des Namens sprach für sich. Papen hatte das benötigte Gründungskapital von 30.000 Reichsmark zur Verfügung gestellt. Bei Abt Herwegen und den meisten Mönchen von Maria Laach fand Papen lebhafte Zustimmung. Herwegen war überzeugt: "Die Gestaltung des Staates geht heute von der NSDAP aus und die Reform der NSDAP ist, wie die Machtverhältnisse liegen, nicht von außen her möglich, sondern nur von innen her. Das erfordert im Interesse des Staates und der Kirche den Einsatz konservativer katholischer Kräfte in die NSDAP."

Aufgabe der Laacher Tagung war die "Aussprache über die nationale Aufgabe der deutschen Katholiken im neuen Reich", thematisch war die Tagung stark ausgerichtet auf die "Reichsidee" und die "Theologie des Reiches". Unter den 150 Teilnehmern waren prominente Professoren wie Alois Dempf, Martin Spahn, Carl Schmitt, Franz Schnabel oder Peter Wust, die führenden "Reichstheologen" - neben Herwegen die Ordensgeistlichen Robert Grosche und Damasus Winzen -, die Publizisten Emil Ritter und Wilhelm Spael sowie als protestantischer Gastteilnehmer Edgar Julius Jung und an politischer Prominenz neben Papen der Oberpräsident der Rheinprovinz, Hermann von Lüninck, der Kölner Regierungspräsident Rudolf zur Bonsen sowie der Industrielle Fritz Thyssen (wie Carl Schmitt preußischer Staatsrat). Auch Uniformierte waren unter den Teilnehmern: in Uniform der NS-Organisationen, andere in Stahlhelm-Uniform (wie etwa Prinz Albrecht von Hohenzollern Namedy).

Abt Herwegen forderte seine Glaubensbrüder auf: "Sagen wir ein rückhaltloses Ja zu dem neuen soziologischen Gebilde des totalen Staates, das durchaus analog gedacht ist dem Aufbau der Kirche. Die Kirche steht in der Welt wie das heutige Deutschland in der Politik. Der Schritt aus der Idee zur Wirklichkeit vollzieht sich nicht immer glatt. Etwas so Ungeheures, wie es sich jetzt vollzieht, kann nicht ohne Leiden sein. Das Leiden hat eine große Funktion innerhalb der Geschichte der Menschen."

Mit dem Stichwort "Leid" deutete der Abt an, was im Jahre 1933 bei der revolutionären Umgestaltung von Volk und Staat in starkem Maße zu verzeichnen war: bei der brutalen Niederwerfung von KPD und SPD, bei den zahllosen Übergriffen und Gewaltakten gegen alles, was die radikal revolutionären Kräfte der NS-Bewegung als "feindlich" ansahen - auch bei den Schlägen gegen den Verbandskatholizismus. Aber an einer Zeitenwende glaubte Herwegen das hinnehmen zu müssen.

Den stärksten Eindruck machten die Referate von Damasus Winzen ("Aufbau des Reiches in theologischer Sicht") und Franz Schnabel ("Die Reichsidee in Geschichte und Gegenwart"). In der Aussprache kam durchaus auch Kritisches zur Geltung. Die Tagung, die exemplarisch war für die damals auf allen Ebenen zu verzeichnenden Versuche eines Brückenschlags zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus, endete mit der Absendung eines Treuegelöbnisses an Reichskanzler Hitler.

Später wandte sich Abt Herwegen entsetzt von der Realität des Dritten Reiches ab, das, wie er im vertrauten Kreis sagte, in die Hände von Verbrechern gefallen sei. Tagungsteilnehmer Dempf publizierte 1934 unter Decknamen in der Schweiz eine heftige Kritik. Es müsse "jener Mitgestaltungswahn entlarvt werden, der glaubt, mit einem Parteiregime, das seine Ausschließlichkeit, seine Intoleranz und seine eigenen rassischen Höchstwerte als neue Nationalreligion propagiert, einerseits zusammenstehen und dann gleichzeitig anderseits von einer bescheidenen Ecke aus das Schlimmste für das Christentum verhindern zu können".

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