© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

Sackgasse Staatsschulden
Föderalismuskommission: Bei der Neuordnung der Finanzen gibt es nur schöne Absichtserklärungen
Bernd-Thomas Ramb

Sie kommt nicht voran, die Föderalismuskommission II des Bundes und der Länder, beim Dauerproblem einer Neuordnung der Finanzen. Hehre Absichtserklärungen und kleinlaute Offenbarungseide wechseln einander ab, bei der Suche nach neuen Wege zur Verringerung der enormen Staatsschulden. Die unversöhnlichen Positionen der hoch- und niedrigverschuldeten Bundesländer können ebensowenig überbrückt werden, wie der Streit zwischen Ländern und Bund über eine gerechte Verteilung der Steuereinnahmen und Schuldenlast kaum beizulegen ist.

Als unlösbar erweist sich das Problem der Beseitigung der Schuldenberge: Auf Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden lasteten zum 31. März 1.487,7 Milliarden Euro Kreditmarktschulden. Hinzu kamen kurzfristige Kassenverstärkungskredite von 66,5 Milliarden Euro. Aufrichtig schlägt daher das jüngste Eckpunktpapier der Föderalismuskommission vor, dieses Thema erst in fünf bis sieben Jahren wieder zu beraten. Als ob es bis dahin gelingen könnte, den Stein der (Staatsfinanz-)Weisen zu finden. Die geheime Hoffnung besteht darin, daß überschuldete Bundesländer wie Bremen, das Saarland oder Schleswig-Holstein in dieser Zeit freiwillig ihre Schulden abbauen. Auch der Bund, auf dem 935,8 Milliarden Euro lasten, könnte in dieser Zeit seinen Schuldenberg verringern. Doch warum sollten die Hauptschuldigen des bundesrepublikanischen Finanzdesasters dies tun?

Eine gemeinsame Behebung der Gesamtschulden bedeutet dagegen, daß sich die ärgsten Schuldenländer, wie auch der Bund, einen Teil der Schulden von den anderen tilgen lassen. Diesen Vorteil ohne Zwang zu schmälern, wäre von ausgabefreudigen Politikern zuviel verlangt. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat zwar angekündigt, im Bundeshaushalt wäre ab 2011 eine Neuverschuldung vermeidbar, aber das hat sein Vorgänger Hans Eichel schon für das Jahr 2006 versprochen - und nicht eingehalten. Außerdem ist ein ausgeglichener Bundesetat noch kein Überschußhaushalt, der für eine Verringerung der Altschulden notwendig wäre. Und wer weiß, wer 2011 an der Regierung ist?

Wahrscheinlicher ist, daß die jetzt moderat verschuldeten Länder ihren Schuldenberg aufstocken, um ihre spätere Verhandlungsposition zu stärken und Umverteilungslasten abzuwenden. Vor diesem Hintergrund sind auch die Erfolgsaussichten beim zweiten Diskussionsthema der Föderalismuskommission eher gering einzustufen: der Reform des Artikel 115 des Grundgesetzes zur Eindämmung der Neuverschuldung. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium schlägt dazu vor, den Absatz zu streichen, nach dem eine zusätzliche Kreditaufnahme "zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" möglich war. Diese Schlupfbestimmung wurde permanent mißbraucht. Ihr ist generell der extreme Schuldenberg zu verdanken.

Statt dessen soll als neuer Absatz aufgenommen werden: "Mit einfacher Mehrheit können Kredite in Höhe von bis zu 5 v. H. der Ausgaben des Bundes aufgenommen werden. Eine darüber hinausgehende Aufnahme von Krediten bedarf einer Mehrheit von drei Fünfteln der Mitglieder des Bundestages. Kredite sind innerhalb der folgenden drei Haushaltsjahre in gleichen Raten zu tilgen." Vor allem der letzte Satz enthält aber die Falle, daß im letzten Jahr der Regierungsperiode Schulden aufgenommen werden, die von der nächsten Regierung zu tilgen sind. Das alte Problem bleibt damit bestehen. Die Abtragung von Schulden wird auf kommende Regierungen übertragen, die derartige Schulden vielleicht nie gemacht hätten und nun der Möglichkeit beraubt sind, neue Schulden für andere Ausgaben aufzunehmen.

Außerdem bleibt das alte Übel einer Neuverschuldungsobergrenze bestehen, wenn auch im geringeren Umfang als bisher. Nach den Erfahrungen der letzten 40 Jahre führt eine solche Formulierung zu einer permanenten Ausschöpfung des maximalen Umfangs. Nur ein generelles Verbot jeglicher Schuldenaufnahme kann dies verhindern. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), immerhin zusammen mit dem SPD-Fraktionschef Peter Struck Vorsitzender der Föderalismuskommission II, strebt ein striktes Neuverschuldungsverbot auch an. Schützenhilfe leistet sein hessischer Amtskollege Roland Koch (CDU), der es zudem ablehnt, die Frage der Altschuldenverringerung auf das Jahr 2015 zu vertagen.

Ob Koch damit durchkommt, ist ebenso zu bezweifeln wie die Annahme seines Planes, die Staatsschulden konsequent abzubauen. Nach Kochs Berechnungen wäre dies im Jahre 2065 erreicht. Die Mehrheit will das Thema Altschulden ausklammern. Die Bundesländer Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein erklären sich schlicht für unfähig, ihre Schulden zu reduzieren. Also bleibt alles beim alten. Neue Schulden werden aufgenommen, alte nicht abgetragen, bis die ersten Bundesländer bankrott und handlungsunfähig ihre Schuldenzinsen nicht mehr zahlen können. Nach Ansicht Oettingers könnte dies in zehn bis fünfzehn Jahren der Fall sein.

Abbildung: Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes: Neue Schulden werden aufgenommen, alte nicht abgetragen

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