© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

Kritik an Paragraph 130
Recht: Ex-Verfassungsrichter mahnt zur Zurückhaltung
Fabian Schmidt-Ahmad

Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem (68) hat sich dagegen ausgesprochen, die Bestreitung des Holocaust zu bestrafen. "Ich würde als Gesetzgeber die Holocaust-Leugnung nicht unter Strafe stellen", sagte er in der vergangenen Woche auf einer Veranstaltung des Wissenschaftszentrums Berlin.

Zudem äußerte sich der Professor für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft der Universität Hamburg skeptisch über das restriktive Verbot der Verwendung von Kennzeichen und Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen: "Ich selber würde auch damit zurückhaltend sein, weil ich nicht glaube, daß das Problem auf diese Weise bewältigt werden kann", zitiert ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Auch wies Hoffmann-Riem, der zwei Jahre lang Hamburger Justizsenator war, darauf hin, daß die Demonstrationen von Rechtsextremen "meist nicht unfriedlich" seien. Gewalt würde dagegen häufig von Gegendemonstranten ausgehen. Man könne aber eine Demonstration nicht wegen einer gewalttätigen Gegendemonstration verbieten, wie es derzeit von einigen Behörden und Verwaltungsgerichten begründet werde.

In diesem Zusammenhang kritisierte der Rechtswissenschaftler, der als Experte für Versammlungsrecht am Verfassungsgericht tätig war, ausdrücklich die "Oberbürgermeister", die sich an solchen Gegenveranstaltungen beteiligt hätten, "auch wenn das in die Nähe von Rechtsbruch geführt hat". Die diesbezügliche Phantasie der Behörden sei "bemerkenswert". Dagegen sei es "politisch klug, Ventile zu belassen, anstatt Märtyrer zu schaffen".

Der Zentralrat der Juden kritisierte die Äußerungen. "Ich möchte nicht wissen, wie schlimm es in Deutschland aussähe, wenn die Leugnung des Holocaust nicht strafbar wäre", sagte Generalsekretär Stephan Kramer im Tagesspiegel und sprach von der Unverantwortlichkeit einer "Koryphäe der Rechtswissenschaft". Dies sei "ein gefährliches Signal" in einer Zeit eines "spürbar wachsenden Rechtsextremismus" gewesen.

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