© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

"Oh Gott, das wird jetzt peinlich"
Geschichtspolitik: In Osnabrück steht eine von zwei Schulen, die den Namen des Hitler-Attentäters Graf Stauffenberg tragen
Hinrich Rohbohm

Als er den Namen hört, stutzt Nicolas. Ein verlegenes Lächeln huscht über sein Gesicht. "Naja, ich weiß, daß das ein Widerstandskämpfer im Dritten Reich war. Aber mehr auch nicht." Der 14 Jahre alte Schüler besucht die achte Klasse des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums in Osna-
brück. Eine Schule mit Seltenheitswert in Deutschland.

Dabei sieht die Lehranstalt genauso aus, wie nun einmal Gymnasien aussehen, die Mitte der sechziger Jahre gebaut wurden. Ein Plattenbau. Schlicht, unspektakulär. Wäre da nicht dieser Name. Stauffenberg. Ein Name, der für den Widerstand gegen Hitler und den Nationalsozialismus steht. Und der dennoch in der gegenwärtigen Schullandschaft Deutschlands oft vergeblich gesucht wird.

An einer schmucklosen Mauer hängt in grauweißen Lettern der Name "Graf-Stauffenberg-Gymnasium". Umgeben von Graffiti-Schmierereien fristet er ein einsames Dasein. Denn lediglich im hessischen Flörsheim existiert noch eine weitere Schule mit dem Namen des Widerstandskämpfers, der nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler hingerichtet wurde. Ein drittes Gymnasium existierte bis vor wenigen Jahren in Berlin. Doch das
fusionierte inzwischen mit dem Barnim-Gymnasium. Nicolas kann inzwischen seine Unkenntnis über den
Offizier mit der Augenklappe doch noch entschuldigen. "In der Schule haben wir über ihn noch nicht geredet", erzählt der Junge.

Stefanie Maredo da Silva und Vivien Nikolic können es bestätigen. Stauffenberg habe "eher weniger" auf der Tagesordnung gestanden. Beide Schülerinnen haben gerade "frisch" ihr "Abi in der Tasche." Und wollen sich nicht blamieren. "Oh Gott, das wird jetzt peinlich", meint die 20 Jahre alte Stefanie auf die Frage, was sie über den Namensträger ihrer Schule weiß. "Attentat 1944", fällt ihr spontan ein. "Der mit der Aktentasche in diesem Hauptquartier da", ergänzt Vivien (19), der die Bezeichnung "Wolfsschanze" für das ehemalige "Führerhauptquatier" bei Rastenburg in Ostpreußen entfallen ist.

Beide wissen: Stauffenberg wurde erschossen. Von den Nationalsozialisten. "Das war's dann aber auch schon", gibt Stefanie frei heraus zu. Gewiß: In der elften Klasse sei das Thema mal "am Rande" erwähnt worden. Und 2004 habe sich die Schule zum 60. Jahrestag des Hitler-Attentats immerhin intensiv mit dem gegen Hitler opponierenden Oberst der Wehrmacht auseinandergesetzt. Einen Schwerpunkt im Unterricht habe es dazu aber nicht gegeben, betonen beide.

An der Hoepner-Schule regt sich Unmut

Das können die Schüler des Berliner Erich-Hoepner-Gymnasiums nicht behaupten. Im Gegenteil. Der Name des einstigen Panzergenerals und Widerstandskämpfers ist aktueller denn je. Wenn auch nicht im positiven Sinne. Der damalige Chemnitzer Geschichtsstudent Geralf Gemser hatte vor vier Jahren seine Magister-Arbeit über
Hoepner geschrieben. Darin warf er dem einstigen Wehrmachtsgeneral vor, in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen zu sein und spekulierte, daß er sich möglicherweise nur im Hoffen auf einen eigenen Vorteil der Widerstandsgruppe gegen Hitler angeschlossen hätte. Dies disqualifiziere ihn als Namensgeber für eine Schule, urteilte der angehende Historiker damals.

Gemser hatte außerdem mit der Schulleitung sowie mehreren Senatsstellen in Berlin Kontakt aufgenommen, um eine Umbenennung zu erreichen. Schon 1956 hatte es Ärger gegeben, als das Bezirksamt verfügte, das "Charlottenburger Gymnasium" in der Bayernallee in "Erich-Hoepner-Schule" umzubenennen. Hoepners Rolle sei während des Umsturzversuches 1944 wenig heroisch gewesen, hatte der damalige Schuldirektor Klaus Rudolphi erklärt. Zur Umbenennung kam es trotzdem. Heute, 52 Jahre später, soll die Lehranstalt wieder einen neuen Namen erhalten. Ab dem 1. August wird sie Heinz-Berggruen-Schule heißen. Und damit nach der Fusion des ehemaligen Stauffenberg-Gymnasiums ein weiteres Loch in das Gedenken an die Widerstandskämpfer reißen.

Der im Februar vergangenen Jahres verstorbene Kunstsammler war aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1936 aus Deutschland geflohen und kämpfte im Krieg 1945 als Soldat der US-Truppen gegen Deutschland. Der Name war gewählt worden, weil er dem musikalisch-künstlerischen und altsprachlichen Profil der Schule entspricht.

Doch unter den Schülern regt sich Unmut. "Ich bin ganz klar dagegen", meint der Zehntkläßler Patrick. Schließlich habe sich der bisherige Name bei allen in der Gegend eingeprägt und die Schule sei als Erich-Hoepner-Gymnasium bei allen Leuten bekannt. Ein neuer Name würde nur für "Verwirrung" sorgen.

Auch Mike ist mit der Namensänderung nicht einverstanden. "Was da passiert ist, erinnert mich stark an das preußische Dreiklassenwahlrecht", empört er sich. Schließlich hätten die Schüler sich mit großer Mehrheit für die Pianistin und Komponistin Clara Schumann ausgesprochen. "Die Lehrer und Eltern haben sich einfach über unser Votum hinweggesetzt, dabei gehen doch wir Schüler hier zur Schule", sagt der 15jährige. Daß Erich Hoepner der Vergangenheit angehören soll, findet er dagegen richtig. Im Unterricht sei über den Widerstandskämpfer ausführlich gesprochen worden, erzählt Mike. "Er war ein Nazi und hat ganz viele Menschen getötet", gibt er wieder, was ihm eingepaukt wurde. Sein Freund Mario (16) pflichtet ihm bei. "Der war doch nur sauer, daß Hitler ihn von seinem Kommando entbunden hat."

General Hoepner war am 8. Januar 1942 von Hitler aus der Wehrmacht unehrenhaft entlassen worden, nachdem er als Befehlshaber der vierten Panzerarmee an der Ostfront einen Durchhaltebefehl ignoriert und den taktischen Rückzug seiner Einheiten befohlen hatte, um der Einkesselung durch sowjetische Truppen zu entgehen. Nach seiner Wehrmachts-entlassung schloß er sich dem Widerstandskreis um Ludwig Beck und Graf Stauffenberg an. Am 8. August 1944 war er vom Volksgerichtshof der Nationalsozialisten zum Tode verurteilt worden. Das Charlottenburger Gymnasium ist das einzige deutschlandweit, das den Namen Hoepners trägt - noch.

Fotos: Stauffenberg-Schülerinnen Stefanie Maredo da Silva (l.) und Vivien Nikolic, Schule in Osnabrück: "Der mit dieser Aktentasche"

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