© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

Parteien
Ein Gespenst geht um
Dieter Stein

Selten war die Chance und Notwendigkeit für ein konservatives Korrektiv im deutschen Parteienspektrum so groß wie in den Zeiten der Großen Koalition unter Angela Merkel. Die Kanzlerin ist nur so stark, weil die SPD durch die Linkspartei so geschwächt ist. Ansonsten träte deutlicher zutage, daß es der Union nicht gelingt, aus dem 35-Prozent-Ghetto herauszukommen. Sie hat konservative Kernwähler in den letzten Jahren systematisch verprellt. Verschärft wird die Lage durch eine schwächelnde CSU, die in früheren Jahren die Sicherung der rechten Flanke übernommen hat und sich nach der überstürzten Entmachtung von Edmund Stoiber nun in einem quälenden Kompetenzgerangel des farblosen Duos Beckstein (Ministerpräsident) und Huber (Parteichef) aufreibt und bei den Landtagswahlen im September mit herben Verlusten rechnen muß.

Da legt einer der letzten Konservativen der CDU den Finger in die Wunde der Partei: Jörg Schönbohm, den man nicht mehr lange in der aktiven Politik als Innenminister Brandenburgs antreffen wird, äußerte am vergangenen Wochenende gegenüber einer Tageszeitung, daß er die Entstehung einer neuen konservativen Partei rechts neben der Union für möglich hält. Er verweist auf den kurzzeitigen Erfolg der Hamburger Schill-Partei. Sein Bruder, einstiger Wahlkampfmanager der CDU, Wulf Schönbohm, äußerte - ausgerechnet als eher linker CDU-Mann - vor einem Jahr in der Welt ähnliche Kritik an der "gefühligen, scheinliberalen Politische-Mitte-Soße" seiner Partei und warnte: "In der linken Mitte tummelt sich bei uns alles, die rechte Mitte kann nur von der Union besetzt werden. Tut sie dies nicht, lädt sie eine neue Partei dazu ein, diese Marktlücke zu schließen. Und dann gute Nacht, Union."

Jörg Schönbohm ist treuer Parteisoldat und mit 70 Jahren nicht mehr prädestiniert, eine Sezession in der CDU zu betreiben. Ein ganz anderer und jüngerer läuft sich jedoch am Spielfeldrand warm und signalisiert, daß man wieder mit ihm rechnen muß: Friedrich Merz. Ihm attestieren viele nicht nur Redetalent und Führungskraft, sondern auch den Machtwillen und Ehrgeiz, es der lendenlahmen CDU noch einmal zu zeigen. Merz, der in der letzten Woche auf einer Podiumsdiskussion in Berlin erklärte, es sei nicht auszuschließen, "daß es einen Weg zurück gibt", wird die Legion an Fehlversuchen kennen, rechts neben der Union eine konservative Alternative zu etablieren. Er wird wissen, daß der schärfste Gegner einer solchen Partei nicht die Linke und die liberale Öffentlichkeit, sondern die CDU selbst ist, die in der Vergangenheit jede Neugründung mit größter Brutalität an den Rand drängte.

Es ist überfällig, daß die Konservativen in Deutschland eine eigene, machtvolle Stimme bekommen. Die Zeit ist reif. Es fehlt der Mann und die Organisation. Merz ist kein Leichtgewicht, und er wird von einem Motiv getrieben, das auch Lafontaine vorantreibt: Er ist gekränkt von seiner Entmachtung und will Genugtuung. Und auch Lafontaine hatte man anfangs unterschätzt - um seine Rache jetzt bitter zu fürchten.

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