© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/08 11. Juli 2008

Blick in die Medien
Den Tod ignoriert
Ronald Gläser

Roger Kusch hat einen Sockenschuß. Der frühere Hamburger Justizsenator ist profilierungssüchtig, will unbedingt mit dem Thema Sterbehilfe groß rauskommen. Erst hat er eine Maschine auf den Markt gebracht, mit der man sich selbst mittels Gift töten kann. Jetzt hat er ein Video gemacht, wie er eine alte Dame in den Tod begleitet. Damit kam er auf die Titelseiten der Boulevardpresse - ein Erfolg für ihn. Aber der Menschheit ist damit nicht geholfen. Wo die Reise hingeht, wenn das Leben so gar nichts mehr zählt, das war jüngst in einem anderen Video zu sehen. Völlig gleichgültig haben ein Wachmann und mehrere Patienten im amerikanischen Kings County Hospital zugeschaut, wie eine Patientin im Wartesaal verstarb. Sie krümmt sich, sie fällt von der Bank, liegt am Boden. Alle anderen mißachten sie einfach - sage und schreibe 45 Minuten lang. Ein vorbeikommender Wachmann sieht sie, ignoriert sie. Der Uniformierte geht wieder seiner Arbeit nach, schaut zwischenzeitlich mal wieder nach der Frau, die immer noch am Boden liegt, und wendet sich dann wieder seinen Formularen zu. Erst danach holte er Hilfe - zu spät. Makaber.

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