© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/08 11. Juli 2008

Als Hitler der Kragen platzte
Fernsehen: Ein Porträt des Wagner-Sängers M. Lorenz
Harald Harzheim

Er war homosexuell, mit einer Jüdin verheiratet und der  Siegfried-Sänger im Bayreuth der NS-Zeit: Max Lorenz. 1901 in Düsseldorf unter dem Namen Max Sülzenfuß geboren, erhielt er im Berlin der zwanziger Jahre seine Ausbildung zum Sänger und wurde schon bald von Siegfried Wagner und Richard Strauss entdeckt. Ab 1934 sollte er auf dem Grünen Hügel in der Heldenrolle als Siegfried triumphieren.

Die bizarre Situation der Bayreuther Festspiele während der NS-Zeit ist bestenfalls mit der Gründgens-Ära des Preußischen Staatstheaters vergleichbar. Winifred Wagner, die Hitler einerseits als persönlichen Gast des Hauses empfing, seine Politik und die Stilisierung vielschichtiger Wagnerfiguren zu eindimensionalen NS-Recken akzeptierte, protegierte andererseits zahlreiche Linke und Kommunisten und Juden. Ein Nutznießer: Max Lorenz, der aus seiner gleichgeschlechtlichen Neigung keinen Hehl machte und zudem seine jüdische Ehefrau demonstrativ auf öffentlichen Empfängen präsentierte. Der fast zwei Meter große Sänger war nicht nur auf der Bühne furchtlos. Wie Wagners Wälsung ließ er sich die Freiheit nicht beschneiden, in diesem Punkt waren die Übergänge von Bühnenrolle und Privatperson fließend. Als Hitler schließlich der Kragen platzte und ein Auftrittsverbot für Lorenz forderte, drohte Winifred im Gegenzug mit der Schließung der Festspiele. Später nahm Hermann Göring den Sänger unter seine persönliche Protektion. So überlebte das Ehepaar Lorenz die NS-Zeit.

Nach dem Krieg trat der Sänger bevorzugt in Salzburg auf, 1960 nahm er mit "Tristan und Isolde" seinen Abschied von der Oper. Er verstarb im Januar 1975.

Dieses Leben, das nicht nur Wagnerianer interessieren dürfte, wurde jetzt fürs Fernsehen dokumentarisch aufgearbeitet. Als Regisseure zeichnen Eric Schulz und Claus Wischmann verantwortlich. Schulz hatte im vergangenen Jahr bereits die Studie "Filmpreis für Richard Wagner" vorgelegt, in der er eine originelle Vision künftiger Wagner-Inszenierungen entwarf (JF 42/07). Mit "Wagners Meistersänger. Hitlers Siegfried - Auf den Spuren von Max Lorenz" (13. Juli, 0 bis 0.45 Uhr, SWR) taucht er nun in den Brunnen der Vergangenheit und fördert neben Interviews mit Sängern wie Dietrich Fischer-Dieskau, René Kollo oder dem Lorenz-Biographen Walter Herrmann seltenes Filmmaterial hervor. Der Ausschnitt aus einer Inszenierung der "Götterdämmerung" (1934) wirkt heute exotisch und läßt - bei aller Kürze - eine große emotionale Wucht erahnen, wie man sie heutzutage noch auf Rockkonzerten, aber kaum in der Oper oder im Theater findet.

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