© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/08 11. Juli 2008

Zeitschriftenkritik: Karfunkel
Korrekturen zum Mittelalter
Werner Olles

Von Karfunkel, der im 16. Jahrgang zweimonatlich erscheinenden "Zeitschrift für erlebbare Geschichte, Reenactment und Histotainment" liegt nun bereits die 76. Ausgabe vor. Wie immer wird der Leser auch diesmal auf 130 Seiten mit einer Fülle von Beiträgen konfrontiert, die sich mit der höfischen Mode zur Zeit der Staufer beschäftigen, über Frauen in biblischer Zeit informieren, die Geschichte von Armenien, Georgien und Albanien im Mittelalter reflektieren, über Berufe und das Handwerk im Mittelalter und das Vorkommen von Tierprozessen in der deutschen Rechtsgeschichte berichten.

Als Schwerpunktthema hat Karfunkel sich Kaiser Friedrich II. (1194-1250) gewählt. Tatsächlich haben nur wenige Herrscher so viel Aufmerksamkeit erregt, und gleichzeitig so viel Beifall und Widerspruch hervorgerufen wie Friedrich II. Von Sizilianern, Italienern und Deutschen gleichermaßen als einer der ihren angesehen, war er ein Mensch, der die vielfältigen kulturellen und politischen Einflüsse, denen er ausgesetzt war, sinnvoll zu integrieren und zum wichtigsten Instrument seines politischen Handelns zu machen wußte. Er wirkt heute auf uns überraschend modern, von einer geradezu irritierenden Toleranz und einem Wissensdrang, den man von Politikern der Gegenwart kaum zu erhoffen wagt. Man kann Friedrich II. ohne zu übertreiben als vielseitige Persönlichkeit bezeichnen, deren Facettenreichtum natürlich auch etwas mit der Zeit zu tun hat, in die er hineingeboren wurde.

Auf jeden Fall entlarven seine Politik, seine wissenschaftlichen Forschungen, seine Bautätigkeit und letztlich seine faszinierende Persönlichkeit die dumme Lüge vom angeblich "finsteren Mittelalter" als pure Ideologie und ahistorische Ignoranz und Arroganz.

Ein weiterer Beitrag befaßt sich mit Tierprozessen in den Volksrechten. Anhand verschiedener Quellen wird ein Streifzug unternommen, der das Vorkommen von Tieren im mittelalterlichen Recht illustriert: in den Volksrechten und im Sachsenspiegel, in den Landfrieden bis hin zu den Gerichtsprozessen der frühen Neuzeit. Doch im Gegensatz zu Frankreich wurden in Deutschland öffentliche Tierstrafen erst im 16. /17. Jahrhundert üblich. Ihnen vorausgegangen waren Privatstrafen, die vom Verletzten oder seinem Verwandten gegen das schadenstiftende Tier zur Rache im Wege ritueller Hinrichtung vollzogen worden waren.

Über das Instrumentarium der Spielleute ist zu lesen, daß ein Spielmann im Mittelalter vier Talente besitzen mußte. Neben dem Charisma, ohne das man keinen Zuhörer begeistern kann, und einem reichhaltigen Repertoire guter Lieder brauchte man vor allem zwei Fähigkeiten: Sensibilität, um auf die Stimmung des Publikums zu reagieren, sowie die Beherrschung möglichst vieler Instrumente. Im Gegensatz zu heute, wo der Musiker sich in der Regel auf einen Stil und ein Instrument festlegt, galt im Mittelalter gerade die Fähigkeit, ohne Probleme von der Flöte auf die Fidel oder von der Schalmei auf die Harfe umzusteigen, als professionell.

Anschrift: Karfunkel-Verlag, Marienhöhe 1, 74706 Osterburken. Einzelpreis 5,90 Euro, Jahresabo 35 Euro. Internet: www.karfunkel.de 

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