© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/08 04. Juli 2008

Auf der Suche nach dem verlorenen Grün
Umweltpolitik: Der CDU-Bundesvorstand will mit einem neuen Grundsatzpapier bei ökologisch orientierten Wählern punkten
Volker Kempf

Die CDU will umweltbewegte Wähler gewinnen. Dafür hat der Bundesvorstand vorige Woche ein 25seitiges Grundsatzpapier mit dem Titel "Bewahrung der Schöpfung: Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz" verabschiedet, das auf dem Parteitag im Dezember beschlossen werden soll. Da werden Erinnerungen wach.

Denn die CDU hatte 1976 ihren leidenschaftlichen Umweltexperten Herbert Gruhl seiner Funktionen des Sprechers der Ausschüsse für Umweltvorsorge in Partei und Fraktion enthoben. Helmut Kohl versuchte ihn 1978 noch zu halten, was aber nur noch ein taktisches Manöver war. Gruhl trieb dann die Gründung der Grünen voran, die ihm bald auch nicht mehr ganz grün waren. Gelingt es der CDU nun, im Lager der Umweltschützer zu punkten, die teilweise auch wertkonservativ sind?

Gewiß ist, das CDU-Umweltpapier setzt beim Klimaschutz an, wenngleich dies nicht der einzige Grund ist, die Energieeffizienz voranzutreiben und Alternativenergien zur Marktfähigkeit zu verhelfen. Die Entwicklung "alternativer Kraftstoffe" und "innovativer Antriebstechnologien wie beispielsweise Elektrofahrzeuge" sind wichtige Stichworte. Allerdings wird man näher wissen wollen, wie der Biokraftstoffanteil von zehn Prozent ohne Kahlschlag an Urwäldern erreicht werden soll. Die Gewinnung von Biosprit aus Reststoffen (biomass to liquid/BTL, JF 50/07) wird genannt, wenngleich damit nur ein Teil des Bedarfs abgedeckt werden kann.

Im Unterschied zu den Grünen benennt das CDU-Papier die hohe Bevölkerungsdichte in Deutschland als Problem. Daraus könnten sich neue Impulse im umweltpolitischen Diskurs ergeben. Bemerkenswert, daß das Verhältnis zum Heimatschutz vergleichsweise unverkrampft daherkommt und auch einen wichtigen Faktor für die Durchsetzung umweltpolitischer Anliegen darstellt.

Einen Energiemix will die CDU - und dabei auf Atomkraftwerke setzen. Dafür spricht, daß die Energiefrage 2008 eine andere ist als 1978. Denn heute geht es um die Vermeidung von Lücken bei der Stromversorgung, möglichst ohne auf Kohle und Gas zu setzen - vor 30 Jahren stand die Vermeidung des Baus von zuviel AKWs im Vordergrund, die sich durch illusorische Strombedarfsprognosen ergaben. Zwischen Nutzen und Risiken der Atomkraftnutzung wird aber nicht eingehend abgewogen. Die "größtmögliche Sicherheit" soll genügen.

Aber was ist mit der Terrorgefahr? Was ist mit der ungelösten Endlagerungsfrage? In diesen Tagen gibt das Forschungsbergwerk Asse eine unfreiwillige Antwort: Die Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) hatte seit Ende der sechziger Jahre schwach- und mittelradioaktiven Abfall tief unter dem Boden Niedersachsens untergebracht, um zu sehen, wie sich die strahlenden Rückstände möglichst gut lagern ließen.

Heute weiß man, daß seit vielen Jahren täglich mehr als 10.000 Liter Salzlösung in das Bergwerk fließen und dessen Wände angreifen. Eine radioaktive Salzlauge, von der niemand weiß, woher sie kommt, überschreitet die Grenzwerte um das bis zu Achtfache. Das ist lange bekannt, aber die Informationspolitik nahm die Bürger nicht ernst, sondern übte sich in Geheimniskrämerei. Zudem wird Uran knapp und teuer wie Öl werden, wenn es zu einer weltweiten Atom-Renaissance kommt.

Der Jahrzehnte alte Gedanke einer "sozialen und ökologischen Marktwirtschaft" scheint nun bei der CDU angekommen. Genau besehen ist von der Ökosteuer aber keine Rede, womit offenbleibt, was aus ihr werden soll. Dafür wird von Emissionshandel und einer CO2-Steuer in Anlehnung an die Kfz-Steuer gesprochen. Dies beinhaltet noch einen breiten Spielraum der konkreten Auslegung. Das Fahrrad wird als umweltfreundliches Verkehrsmittel in den Vordergrund gestellt, was auf einen Ausbau der Radwegnetze hinausläuft. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Wie sehr aber soll der "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und die Bewahrung der Schöpfung" als "Kernanliegen unserer Politik", also der CDU, verfolgt werden? Das hängt auch vom Personal ab. Der Hamburger Sozialsenator Dietrich Wersich erklärte kürzlich in einem Interview mit der Hamburger Morgenpost, Gruhls Buch "Ein Planet wird geplündert" sei für ihn ein Schlüsselwerk. Das spricht dafür, daß es trotz schwarz-grüner Koalition in der Union Leute gibt, für welche die real existierenden Grünen nicht das Maß der umweltpolitischen Dinge sind.

Doch die Probleme sind bei der CDU struktureller Art. Gruhl war in der CDU am Lobbyismus gescheitert. Dieser ist bei der Union noch immer zu Hause und müßte thematisiert werden. Auch ist zu sehen, daß die CDU zwar viel vom Verbraucherschutz redet, dieser aber wie der Tierschutz bei den deutschen Christdemokraten noch immer auf Widerstände aus der Agrarindustrie stößt.

Der Antrag des Bundesvorstandes der CDU im Internet: www.cdu.de/doc/pdfc/080623-beschluss-buvo-klima-umwelt-verbraucher.pdf 

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