© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/08 04. Juli 2008

Faruk Sen nennt die Türken die "neuen Juden Europas" und wird gefeuert
Schuldig bei Vergleich
Fabian Schmidt-Ahmad

Man stelle sich einen Deutschen vor - nennen wir ihn Herrn S. -, der als 23jähriger in die Türkei übersiedelt, dort Betriebswirtschaftslehre studiert, promoviert und dann mit 36 Jahren ein "Zentrum für Deutschlandstudien" gründet. Sein vom türkischen Steuerzahler finanziertes Professorensalär wird er die nächsten Jahre dazu nutzen, für die in der Türkei lebenden Deutschen die volle Staatsbürgerschaft zu fordern, natürlich nicht ohne anzufügen, daß auch diese sie nicht "vor rassistischen Angriffen und Diskriminierung" schütze. Überhaupt sind diese Türken, unter denen Herr S. lebt, gefährlich. So raunt er in der heimatlichen Presse von den in der Türkei lebenden Deutschen als den "neuen Armeniern". - Sie meinen, das Gedankenspiel ist absurd? In der Tat ist eine solche Realsatire auch nur in Deutschland denkbar.

Dabei kann man Faruk Şen, Direktor des Zentrums für Türkeistudien (ZfT) und Professor an der Uni Duisburg-Essen, eigentlich keinen Vorwurf machen. Gehört der 1948 in Ankara geborene Wissenschaftler doch zum typischen Vertreter des deutschen Vorzeige-Einwanderers: Erfolgreich nicht zuletzt aufgrund seines Migrantenstatus, betreibt das SPD-Mitglied Lobbypolitik, wie man sie kennt. Beispielsweise behauptete Şen 1998 in einem Interview mit der JUNGEN FREIHEIT ernsthaft, daß die Bildung von türkischen Parallelgesellschaften "mit der Entwicklung seit Mölln und Solingen zu tun" habe. Da ist es nur folgerichtig, wenn Şen im Mai in einer türkischen Zeitschrift das Schicksal der Türken mit dem der Juden verglich: Obwohl in Europa beheimatet, seien "die Türken - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlichen Erscheinungsformen - wie die Juden diskriminiert und ausgeschlossen ... sie sind die neuen Juden Europas", so Şen, dessen Vorname "der die Wahrheit von der Lüge unterscheiden kann" bedeutet.

Diese Unterstellung ist natürlich eine Frechheit - ebenso wie die Entschuldigung, nachdem der Beitrag bekannt wurde: "Obwohl Türkeistämmige in Europa von beträchtlicher gesellschaftlicher Ausgrenzung betroffen sind, verbietet sich der Vergleich mit der Verfolgung der Juden." Im Klartext: Entschuldigung bei den Juden, Bekräftigung der Vorwürfe gegenüber Deutschen und übrigen Europäern.

Dennoch hat die scharfe Reaktion mit letzterem wohl nichts zu tun: Das ZfT, dessen Kuratorium NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) vorsteht, hat Şen umgehend Hausverbot erteilt und will seine Entlassung. Der spricht von einer Kampagne gegen ihn - und hat damit wohl recht. So weist die Frankfurter Rundschau darauf hin, daß der Vorwurf gegen den "unliebsamen Chef" zuerst in der FAZ erschien, die auch im Vorstand der Stiftung vertreten ist. Şen hat bereits gerichtliche Schritte angekündigt. Vielleicht sollte sich da der "neue Jude" auf das Antidiskriminierungsgesetz berufen. Der Zentralrat der Juden hat ihn immerhin schon seiner Solidarität versichert.

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