© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

Frisch gepresst

Vertriebene. Für seine Geschichte Ostpreußens, konzipiert als multikulturelle Retrospektive (JF 10/06), ist der am Deutschen Historischen Institut in Warschau tätige Andreas Kossert soeben mit 8.000 Euro prämiert worden, die das Deutsche Kulturforum östliches Europa im Namen des baltischen Kunsthistorikers Georg Dehio regelmäßig ausschüttet. Überhaupt scheint die günstige Resonanz auf sein zeitgeistkompatibles Opus den Autor ermuntert zu haben, thematisch am Ball zu bleiben. So entstand "Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945" (Kalte Heimat, Siedler Verlag, München 2008, gebunden, 431 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro). Und das ist wieder ein "echter Kossert", dessen geschichtspolitische Axiomatik sich an der "Völkerverständigung" orientiert und daher zur Vorgeschichte der Vertreibung, ihren Ursachen und den Motiven der Vertreiber lieber die alten Mären abspinnt - alles untermischt mit unzählbaren Detailfehlern und manchen Stilblüten. Aber damit muß es die Kritik diesmal bewenden sein lassen. Denn vor dem, was Kossert im übrigen bietet, ist der Hut zu ziehen. Es ist ein solides Stück Sozialgeschichte der deutsch-deutschen Nachkriegsgesellschaft, die Rekonstruktion einer singulären Integrationsleistung, bereichert um die diskutable Bilanzierung der Politik westdeutscher Vertriebenenverbände und auch das kulturelle Erbe der Ostdeutschen wie ihre Präsenz im kollektiven Gedächtnis beleuchtend. Daß sich Kossert dabei von akademisch maskierten Politruks wie Wolfgang Benz (TU Berlin) distanziert, der den Begriff Vertreibungsverbrechen gern in Anführungszeichen setzt und Zitate fälscht, um die Zahl deutscher Opfer zu minimieren, ist ihm hoch anzurechnen.

 

Dietrich Bonhoeffer. Es gibt Bücher, die sich selbst einer Kurzbesprechung verweigern. Ihr Erscheinen ist lediglich aus bibliographischer Chronistenpflicht zu protokollieren. So ein Werk ist die von Karl Martin im Auftrag des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins edierte Sammlung "Dietrich Bonhoeffer: Herausforderung zu verantwortlichem Glauben, Denken und Handeln. Denkanstöße - Dokumente - Positionen" (Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2008, gebunden, 508 Seiten, Abbildungen, 29 Euro). Das Grußwort des Bundespräsidenten Horst Köhler, eine Seite beanspruchend, scheint den Telegrammstil vieler folgender Beiträge geprägt zu haben. Die Hälfte des Buches nehmen "Resolutionen" aus der 25jährigen Geschichte dieser Bonhoeffer-Gesellschaft ein, die eine recht ungenießbar-esoterische Spielart des westdeutschen Protestantismus dokumentieren - und die zu allem unerquicklichen Überfluß auch noch durch den Wittenberger Schwafelgrafen und Großmeister der sinnfreien Rede, Friedrich Schorlemmer, Beistand erfahren.

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