© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

CD: Metal
Patrioten
Jörg Fischer

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 wurden nicht nur von der Bush-Regierung, sondern auch von der US-Öffentlichkeit als gravierendster Angriff auf God's own country seit Pearl Harbor 1941 verstanden. Angesichts von offiziell fast 3.000 toten US-Bürgern konnte es nicht überraschen, daß die Patriotismuswelle nach "9/11" selbst die eher unpolitische Heavy-Metal-Szene erreichte. Während Iced Earth aus Florida auf "The Glorious Burden" die Kriegsgeschichte von der US-Unabhängigkeitserklärung über die Schlacht von Gettysburg bis hin zum 11. September verarbeiteten, ging ihr Sänger Matthew Barlow noch eine Schritt weiter, sagte der "Illusion des Rockstar-Daseins" ade und verpflichtete sich mit militärischem Kurzhaarschnitt beim Police Department in Georgetown/Delaware. Seine Sangeskünste stellte er in den Dienst von dessen First State Force Band, die unter dem Motto "Say no to drugs, stay away from violence and respect your parents, teachers, yourselves, others, and life" auf Schulfesten auftritt.

Doch voriges Jahr packte es den patriotischen Police Officer wieder: Barlow stieg bei den Power-Metallern Pyramaze des dänischen Gitarristen Michael Kammeyer ein. Deren neues Album "Immortal" (Locomotive Records) knüpft nahtlos dort an, wo Iced Earth mit "Something wicked this way comes" 1998 aufgehört haben. Wenn auch ohne Zitate aus Shakespeares "Macbeth", so könnten alle zehn Titel der CD ohne weiteres von Jon Schaffers Iced Earth stammen. Eine weitere Pyramaze-CD mit Barlow ist leider unwahrscheinlich, denn der heute 38jährige mit der vielseitigen Stimme ist inzwischen zu Iced Earth zurückgekehrt.

Sogar der norwegische Sänger Jørn Lande - bekannt durch seine Zusammenarbeit mit den deutschen Masterplan oder Yngwie Malmsteen - glaubt offenbar, einen Beitrag zum Thema Patriotismus leisten zu müssen: "Lonely Are The Brave" (Frontiers Records) heißt sein neuestes Werk, dessen Titelgemälde einen einsamen Soldaten umgeben von den Trümmern einer Küstenschlacht zeigt. Musikalisch geht es trotz Liedtiteln wie "War of the World" eher eingängig-melodisch zu. Manche  der - leider sparsamen - Gitarrensoli und einige Gesangslinien erinnern an David Coverdale (JF 23/08), Ronnie James Dio oder Black Sabbath zu Tony Martins Zeiten. Die neue Jorn-CD dürfte daher Hard-Rockern wie Metallern zusagen.

Auf letzteres Publikum zielt auch das neueste Werk des klassisch geschulten und inspirierten finnischen Gitarristen Timo Tolkki. Nach Auflösung seiner bisherigen Erfolgsmannschaft Stratovarius (JF 43/05) soll in diesem Jahr unter dem Namen Revolution Renaissance eine "New Era" (Frontiers Records) beginnen. Das stimmt insoweit, als mit den Deutschen Michael Kiske (einst bei Helloween) und Tobias Sammet (Edguy, Avantasia) sowie Tolkkis Landsmann Pasi Rantanen (Ex-Thunderstone) gleich drei Sänger zu hören sind. Doch stimmlich sind sie gar nicht so weit entfernt von Timo Kotipelto, der über ein Jahrzehnt das Stratovarius-Aushängeschild war. Auch musikalisch ist keineswegs eine neue Ära oder gar eine Revolution ausgebrochen - Tolkkis wie immer hervorragende Kompositionen hätten gut auf die letzten Stratovarius-Alben gepaßt. Mitreißende Hochgeschwindigkeitsduelle zwischen Gitarre und Tasteninstrumenten oder epische Metal-Hymnen schüttelt der inzwischen 42jährige leider nicht mehr aus dem Ärmel.

Noch gemächlicher und eingängiger geht es auf dem selbstbetitelten Debütalbum des finnischen Hard-Rock-Quartetts Land Of Tales (Frontiers Records) zu, das Anfang Juli in die Läden kommt. Doch wer auch auf Bon Jovi, Bonfire & Co. steht, kann es sich bedenkenlos in den Plattenschrank stellen.

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