© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

Zeitschriftenkritik: Psychologie Heute
Verteilungskämpfe
Werner Olles

Die nunmehr bereits im 35. Jahrgang monatlich mit einem Umfang von über 100 Seiten erscheinende Zeitschrift Psychologie Heute beschäftigt sich in ihrer aktuellen Ausgabe unter anderem mit den Schwerpunktthemen "Erziehung" und "Minderheiten". So sieht der Jugendpsychiater Michael Winterhoff immer größere Gruppen Heranwachsender, die "weder ausbildungs- und arbeitsfähig noch leistungsbereit oder beziehungsfähig" sind und aggressiv reagieren, wenn man sie fordert oder ihnen ihre Lustobjekte entzieht. Tatsächlich fehlen diesen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die noch im frühkindlichen Narzißmus verharren, wichtige psychische Funktionen, die in letzter Konsequenz auch den gesellschaftlichen Frieden bedrohen.

Eine ganz ähnliche Ansicht vertritt der Familienpsychologe Klaus A. Schneewind. Das Dilemma beginne mit der Unsicherheit der Eltern, wie sie ihre Kinder erziehen und welche Methoden sie einsetzen sollen. Der Autor plädiert für das Konzept "Freiheit in Grenzen". Dahinter stehen drei wesentliche Aspekte: elterliche Wertschätzung, Fordern und Grenzen setzen, Gewährung und Förderung von Eigenständigkeit. Dies habe jedoch nichts mit autoritärer Erziehung zu tun, allerdings sollten die Eltern, wenn es die Situation erfordert, ohne Zögern einschreiten und bei einer Weigerung angekündigte Konsequenzen dann auch energisch durchsetzen.

Über "Die Macht der Minderheiten" schreibt Nikolas Westerhoff, daß geschlossenes Auftreten für Minderheiten besonders wichtig ist, da sie nur auf diese Weise ihre zahlenmäßige Unterlegenheit ausgleichen können. Erst wenn auch die Mehrheitsgruppe geschlossen auftritt, sind Minderheiten relativ macht- und chancenlos. Zudem müßten Minderheiten immer den Eindruck vermitteln, daß sie sich ihrer Sache ganz und gar sicher sind. Im übrigen würden Minderheiten häufig als prestigearme und machtlose Gruppen beschrieben, denen es an finanziellen, sozialen und intellektuellen Ressourcen fehle. Doch ließen sich zahllose Beispiele von Minderheiten finden, die über mehr Macht und größere materielle Ressourcen verfügten als die Mehrheit - etwa die Beduinen in Jordanien. Oder auch die Brüsseler Eurokraten, möchte man hinzufügen.

Über den "Streit ums Erbe" geht es in einem weiteren Beitrag. In den nächsten zehn Jahren werden mehr als zwei Billionen Euro vererbt. In vielen Fällen wird dies nicht ohne Zwist und juristische Rangeleien vonstatten gehen. Das liegt vor allem auch daran, daß die Lebensformen heute immer vielfältiger werden. Zweit- und Drittehen, sogenannte Patchworkfamilien mit Adoptivkindern, nichteheliche Lebensgemeinschaften und gleichgeschlechtliche Partnerschaften machen das Gefüge zwischen den Generationen und damit auch das Erben und Vererben zunehmend komplizierter und unwägbarer. So können Erblasser heute nicht mehr sicher sein, daß die Erben sich gütlich einigen. Ein Grund mehr, sich gründlich Zeit zu nehmen für den "letzten Willen".

Anschrift: Julius Beltz Verlag. Werderstr. 10, 69469 Weinheim. Einzelheft 5,90, Euro, Jahresabo 64 Euro, Studenten 57 Euro. Internet: www.psychologie-heute.de

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