© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/08 13. Juni 2008

Konversionen, Konfusionen
Von deutscher Seele: W. Braunfels' "Te Deum"
Jens Knorr

Großes Theater um die deutsche Seele. Letzten Sonntag brachten Deutsches Symphonie-Orchester und Rundfunkchor Berlin in der Philharmonie Walter Braunfels' "Te Deum" zur Wiederaufführung. Die 1922 im Kölner Gürzenich uraufgeführte Komposition war bis 1933 mehr als 50 mal gespielt worden. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verboten, wurde sie nach 1945 zwar hin und wieder aufgeführt, ohne jedoch ins Repertoire zurückzufinden.

Das "Te Deum", der Lob- und Dankgesang der römisch-katholischen Liturgie, hatte zweierlei Arten Verweltlichung erfahren: zum einen die Vereinnahmung für politische Zwecke, als es mehr und mehr zum Ruhme des Herrschers erklang und weniger und weniger zum Ruhme des Höchsten, zum anderen und spätestens seit Verdis "Quattro Pezzi Sacri" als eigens für den Konzertsaal geschriebenes Stück. Der jüdische Konvertit zum katholischen Glauben Braunfels nun baut den Konzertsaal wieder zum Beetsaal zurück.

Alles sieht nach Tätigkeit aus, aber das musikalische Material tut nicht viel zur Sache. Also schiebt es Braunfels den Quintenzirkel hoch und runter, läßt Soli, Chor und Orchester in ständigem Auf und Ab crescendieren und decrescendieren, zu Höhe- oder Tiefpunkten das Tamtam schlagen und Orgel und Glocken zu transzendentalen Zwecken. Dabei sind Apokalypse und Apotheose des in die Jahre gekommenen Wunderkinds eher von harmloser Gestalt. Die Schrecken des Weltkriegs waren von den Meistern der zweiten Wiener Schule längst gültig gestaltet worden und die Schrecken des Schönen von Gustav Mahler, dem Zwangskonvertiten. Braunfels scheinen sie an unerwarteter Stelle zu unterlaufen, da wo ekstatischer Jubel sich verdammt nach herausgeschrieener Qual anhört. Aber das steht nur zu vermuten, weil Dirigent Man­fred Honeck sich eher zum Getriebenen der Klangmassen machte, als sie zu bändigen. Konzentration wußte er nur zwischen den Sätzen zu schaffen.

Thematische Arbeit heißt in Mozarts späten Symphonien nicht schlechthin Tätigkeit, sondern Kampf. Die Symphonie in D-Dur, KV 504, komponiert im Dezember 1786, die sogenannte Prager, trimmte Honeck auf äußeren Effekt, ohne erkennbaren Willen, der inneren Dramatik dieser alles andere als absoluten Musik nachzuspüren, eine Keimzelle für Mozarts Musiktheater ließ er als Theatersinfonie spielen.

Für diesmal hat sich die deutsche Seele in den Vollrausch hineingesteigert. Den Kater zu komponieren, hat Braunfels andern überlassen. Aber von denen wollte das Publikum in der Berliner Philharmonie auch nichts hören.

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