© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/08 13. Juni 2008

Südafrika
Das Pulverfaß am Kap
Peter Scholl-Latour

Die Welt ist selten so intensiv belogen worden wie über den Zustand Südafrikas. Der Westen hat sich eine Idylle gezaubert, ausgerichtet auf die versöhnliche und zweifellos bewundernswerte Figur eines Nelson Mandela. Doch die Wirklichkeit sah und sieht ganz anders aus. Die Öffentlichkeit in Europa und Amerika wurde zwar durch die Ausschreitungen gegen die schwarzen Einwanderer aus Simbabwe und aus Mosambik aufgeschreckt. Doch über die ermordeten weißen Farmer (Buren) - im Jahr 2001 waren es offiziellen Angaben zufolge 1.200 - erfährt man nichts.

Sicher, die Buren hätten eigentlich mit solchen Reaktionen rechnen müssen. Ihr Apartheids-Regime, das sich in den letzten Jahren vielleicht etwas abgemildert hatte, war über die Jahrzehnte wirklich abscheulich für die dort lebenden Menschen und eine unnötige permanente Demütigung. Doch hatten sie nicht angekündigt, einen grandiosen Widerstand zu leisten, falls es zu einer schwarzen Machtergreifung kommt? Sie wollten auf der Wagenburg sterben und haben dann doch gekuscht, als es zur Entscheidung kam. Ein Kenner der dortigen Situation hätte das alles voraussagen müssen.

Aber noch erstaunlicher ist, daß die Zahl der Toten in Simbabwe, die unter den dortigen weißen Farmern etwa höchstens ein Dutzend erreicht haben, nun aber ständig im Vordergrund steht. Von den mehr als tausend Weißen, die seit der ANC-Machtübernahme 1994 in Südafrika umgebracht wurden, ist hingegen nie die Rede.

Warum ist das so? Zum einen existiert da das blühende Touristengeschäft. Ein Geschäft, das allerdings auf streng abgesicherten Pfaden läuft, über die Privatgesellschaften - nicht die südafrikanische Polizei - wachen. Alles ist strikt programmiert: die Ankunft in Johannisburg, die Unterbringung in einem Hotel, der Besuch im streng abgesicherten Soweto und im videoüberwachten Viertel für Ausländer in Kapstadt. Am Ende bestaunt man dann die Löwen im Krueger-Park. Ergebnis: In Deutschland entstand ein völlig falsches Bild Südafrikas.

Doch nicht nur die Tourismusbranche ist an dem guten Image Südafrikas interessiert, auch die deutsche Industrie hat ihre Interessen. Sie hat in Südafrika stark investiert und allein schon deswegen keine allzu großen Ambitionen, die Wahrheit an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Hinzu kam dann auch noch die Politik, die dem globalen Wunschbild von Demokratie und Kapitalismus in Afrika unbedingt einen großen Erfolg gewähren wollte. Die Person Nelson Mandela, die in der heutigen Politik keine Rolle mehr spielt, war hierfür trefflich geeignet.

Zurück in die Gegenwart: Im Moment spielt man die Frage Simbabwe, die in Afrika eine drittrangige ist, in den Vordergrund. Simbabwes Robert Mugabe, der ein Tyrann ist, aber bestimmt nicht schlimmer als andere Tyrannen in Afrika, wird als Monstrum gezeichnet, um zu verhindern, daß Verhältnisse in Simbabwe sich in Südafrika wiederholen. In Wirklichkeit ist die Situation in Südafrika viel explosiver. Nur wird dies totgeschwiegen. - Viel Spaß bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika 2010!

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