© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

Frisch gepresst

Kolberg. Zusammen mit Ulrich Gehrke hat Peter Jancke sich um die Erinnerung an die alte hinterpommersche Ostseestadt und das Seebad Kolberg Verdienste erworben, die mit denen Walter Kempowskis um Rostock zu vergleichen wären - nur daß ihnen, die nie ihren Ehrgeiz auf eine literarische Komposition ihrer "Trauerarbeit" richteten, ein annähernd starkes öffentliches Echo versagt geblieben ist. In den von ihnen betreuten "Beiträgen zur Geschichte der Stadt Kolberg und des Kreises Kolberg-Körlin" ist als Band 34 ein schmaler, aber gleichwohl 400 historische Aufnahmen versammelnder "Führer durch eine untergegangene Stadt" erschienen, der seit 2007 schon eine zweite, preisgünstige Auflage erlebt hat (Verlag Peter Jancke/Husum Druck, Hamburg/Husum 2008, broschiert, 128 Seiten, 9,95 Euro). Mit berechtigter Bitternis merkt Jancke einleitend an, daß das Kolberg (Kołobrzeg) der polnischen Okkupanten - "700 Jahre eine rein deutsche Stadt, bis 1945 nie von Polen bewohnt" - seine deutsche Geschichte in jüngeren Publikationen zu verlieren beginnt. Gerade darum ist zu beklagen, daß Jancke, um die Kosten niedrig zu halten, das Antlitz dieses seit 1807 zum "preußischen Mythos" gewordenen deutschen "Erinnerungsortes" auf den briefmarkenkleinen Reproduktionen leider zu sehr versteckt. Nichts zu wünschen übrig lassen allerdings die gewohnt detailverliebten Bildbeschreibungen.

 

Stettin. Stolz verkündet Peter Lindenberg, seine Arbeit über den Oberlandesgerichtsbezirk Stettin sei die erste, "die sich mit einem im Osten untergegangenen OLG-Bezirk befaßt". So kann man sich täuschen. Abgesehen von diesem Irrtum neigt Lindenberg auch sonst dazu, die inzwischen schon recht ausgeuferte "juristische Zeitgeschichte" inklusive der bereits monographisch erforschten OLG-Bezirke zu vernachlässigen. Negativ ist zudem zu vermerken, daß das Stettiner Justizpersonal über die Aufzählung von Namen und Laufbahnen hinaus wenig Profil gewinnt. Typisch die Erwähnung des Generalstaatsanwalts Stürenburg, über den nur zu erfahren ist, daß er nach 1933 Selbstmord begangen habe. Wann genau, aus welchen Motiven? Solche Defizite gleicht Lindenberg allerdings mit seiner aus Greifswalder und den Aktenbeständen des Bundesarchivs gut fundierten Darstellung der Spruchpraxis, vor allem des Stettiner Sondergerichts unter Kriegsbedingungen ab 1939, wieder aus. Hier wie in der Darstellung der juristischen Umsetzung spezifisch nationalsozialistischer Gesetzgebung ("Reichserbhof"- und "Erbgesundheitsrecht") leistet er wertvolle Beiträge zur pommerschen Landesgeschichte (Pommersche Gerichtsbarkeit - Oberlandesgerichtsbezirk Stettin. Anfänge - Drittes Reich - Nachkrieg. Ludwig Verlag, Kiel 2007, broschiert, 183 Seiten, 22,90 Euro).

Abbildung: Karl Friedrich Schinkel, Der Rugard auf Rügen, Öl auf Leinwand 1821: Durchweg Kleinmeister mit Gebrauchs- und Gelegenheitsdichtung

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen