© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

Wettlauf um den Nordpol vorerst abgewendet
Arktis: Die fünf Anrainerstaaten haben sich bei einer Konferenz auf Grönland darauf geeinigt, ihre Gebietsstreitigkeiten unter UN-Führung beizulegen
Joachim Koch

Vorige Woche trafen sich im grönländischen Jakobshavn (Ilulissat) die Außenminister der Arktisanrainer Dänemark (als Außenvertretung Grönlands, JF 22/07), Kanada, Norwegen und Rußland sowie ein Vertreter des US-Außenministeriums. Hauptpunkt ihrer Gespräche war die Abgrenzung ihrer Festlandsockel im Nordpolarmeer, unter denen unter anderem reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet werden.

Da Rußland im Sommer 2007 eine Flagge am Nordpol versenkt hatte, um seine Hoheitsansprüche in der Arktis zu dokumentieren, und Kanada dort verstärkte militärische Präsenz zeigte, wurde befürchtet, daß es zu einem wilden Wettrennen zu den Rohstoffen der Region komme. Doch der russische Außenminister Sergej Lawrow wiegelte auf dem Treffen ab: "Wir teilen nicht die alarmistischen Prognosen hinsichtlich der bevorstehenden Interessenkollision zwischen den arktischen und sogar außerregionalen Staaten, ja geradezu einer 'Schlacht um die Arktis' unter den Bedingungen der Erwärmung, die den Zugang zu den immer teurer werdenden Naturressourcen und Transportwegen erleichtern soll."

Und die fünf Staaten, die mit Ausnahme der USA Mitglieder des UN-Seerechtsübereinkommens (Unclos) von 1982 sind, haben sich nun vorerst darauf geeinigt, ihre Gebietsstreitigkeiten hinsichtlich ihrer Festlandsockel nach den Unclos-Regeln zu lösen. Sie besagen, daß der Festlandsockel - also der Meeresboden und sein Untergrund - den Küstenstaaten bis zu 200 Seemeilen zusteht und sie das souveräne Recht haben, den Festlandsockel zu erforschen und seine Bodenschätze auszubeuten. Angehörige dritter Staaten brauchen dazu eine Genehmigung des bestreffenden Küstenstaates. Wenn sich der Festlandsockel eines Küstenstaates über 200 Seemeilen hinaus erstreckt, steht dem Küstenstaat auch diese Verlängerung seines Festlandsockels zu. Er kann die Grenzen dieses verlängerten Festlandsockels festlegen. Bevor diese Festlegung jedoch international wirksam wird, haben die Küstenstaaten gegenüber der Uno-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels (CLCS) durch Vorlage von Daten nachzuweisen, daß der Festlandsockel über 200 Seemeilen hinaus den im Unclos festgelegten Kriterien entspricht.

Kommt die Prüfung der CLCS zu einem positiven Ergebnis, kann der Küstenstaat seine Festlandsockelgrenze international verbindlich festlegen. Der Küstenstaat hinterlegt dann beim UN-Generalsekretär Seekarten und sachbezogene Unterlagen, welche die äußeren Grenzen seines Festlandsockels beschreiben.

Kommt die CLCS zu einem negativen Ergebnis, übermittelt sie ihre Empfehlungen dem Küstenstaat. Dieser hat dann die Wahl, seine Festlandsockelgrenzen entsprechend festzulegen oder einen neuen Antrag bei der CLCS zu stellen. In diesem Fall findet eine neue Prüfung statt. Solange kein Einvernehmen zwischen Küstenstaat und Festlandsockelkommission besteht, können keine international verbindlichen Festlandsockelgrenzen festgelegt werden - was angesichts des vermuteten Rohstoffreichtums sicher noch viel Arbeit für Völkerrechtler schaffen wird.

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