© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

EM 2008
Lauter Favoriten
Arthur Hiller

Seit dem "Wunder von Bern" ist es nie wieder einem Außenseiter gelungen, Fußball-Weltmeister zu werden. Das Überraschungsmoment bei Europameisterschaften ist da schon erheblich größer: 1992 ergatterten die Dänen den Titel, die kurzfristig als Ersatz für die aus politischen Gründen ausgeschlossenen Jugoslawen ins Turnier gerückt waren, und 2004 mauerten sich gar die Griechen zum Triumph, der ihnen nun neben der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1830 als der zweite wirkliche Höhepunkt in ihrer jüngeren Nationalgeschichte gilt.

In der Regel jedoch stehen auch bei Europameisterschaften am Ende jene auf dem Siegertreppchen, von denen man sich schon zuvor gedacht hat, daß sie es schaffen könnten. In diesem Jahr ist die Irrtumswahrscheinlichkeit dabei besonders gering, da es so viele Titelaspiranten wie nie zuvor gibt. Eine Ehrfurcht einflößende Übermannschaft wie zuletzt Frankreich im Jahr 2000 ist nicht auszumachen, und so schießt die Hoffnung, mit etwas Glück nach den Sternen greifen zu dürfen, bei allen Teilnehmern, von den Österreichern abgesehen, ins Kraut.

Die Gründe für dieses Selbstvertrauen sind vielfältig. Einige, die Russen oder die Rumänen etwa, meinen schlicht, daß sie halt jeden schlagen können, wenn sie nur einen guten Tag erwischen. Andere wie die Türken oder die Spanier glauben, daß sie schon so lange tollen Fußball bieten und dafür endlich einmal eine Belohnung verdient haben. Die Tschechen, Schweden und Griechen wiederum schöpfen ihre Zuversicht daraus, daß sie zwar nicht gerade mit den besten Einzelakteuren des Turniers aufwarten, aber ganz passabel eingespielt sind. Franzosen, Niederländer und Portugiesen hingegen vertrauen umgekehrt darauf, den Mangel an mannschaftlicher Geschlossenheit durch herausragende Stars kompensieren zu können. Die Italiener schließlich wissen ganz einfach, daß sie stets kaum zu besiegen sind, ganz gleich, wie gut oder schlecht sie spielen.

Wirklich zu überzeugen vermögen all diese Scheinargumente zur Untermauerung irrationaler Hoffnungen allerdings nicht. Einzig die Rationalität der Schweizer besticht: In einem nie dementierten Masterplan sollen sie sich vor einigen Jahren einfach vorgenommen haben, bei der WM 2006 ein gutes Bild abzugeben und anschließend die EM im eigenen Land zu gewinnen. Das Zwischenziel haben sie erreicht. Wer wollte sie nun noch davon abhalten, ihr Werk zu vollenden?

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