© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Gesine Schwan will 2009 für die SPD gegen Bundespräsident Horst Köhler antreten
Die Kandidatin
Doris Neujahr

Auch Originalität hat ihr Verfallsdatum, wenn sie von der Sorte ist, wie sie der Einäugige unter den Blinden genießt. Wie ist es um die Originalität der Politologin Gesine Schwan bestellt? Seit 1999 wirkt Schwan, die 1943 als Kind entschiedener NS-Gegner in Berlin geboren wurde, als Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Präsidentin - und zwar auf höherer Ebene - will sie nach ihrer Emeritierung in diesem Jahr bleiben.

Gesine Schwan ist keine Parteisoldatin. 1970 trat sie in die SPD ein, ohne sich von ihr abhängig zu machen. Konsequent betrieb sie ihre akademische Karriere und vertrat eigene Positionen. Als überzeugte Antikommunistin bejahte sie den Nato-Doppelbeschluß und warf aus Zorn über die Mißachtung, mit der die Sozialdemokraten die osteuropäischen Oppositionsbewegungen strafte, ihrer Partei vor, nicht deutlich zwischen Diktatur und Demokratie zu unterscheiden. Dafür wurde sie 1984 aus der Grundwertekommission der SPD ausgeschlossen. 1996 holte die Partei die streitbare Genossin zurück, auf daß sie für intellektuellen Glanz sorge.

2004 scheiterte Schwans Präsidentschaftskandidatur knapp. Doch die Zeiten haben sich geändert. Ihre Eloquenz und ihr charmanter Offensivgeist, die vor fünf Jahren begeisterten, werden jetzt auf ihre Substanz und Angemessenheit geprüft. Aussagen wie: "Zur Bürgertugend gehören zunehmend Kompetenzen, die eher weiblicher als männlicher Sozialisation entspringen", werden die Vertreter außereuropäischer Macho-Kulturen, welche unsere Straße dominieren und gesellschaftlich und politisch rasant an Boden gewinnen, in der Meinung bestärken, daß Deutschland reif für die Übernahme ist. Bis dahin werden sie Schwan als nützliche Idiotin hofieren.

Auch ihre - zweifellos persönlich sympathische - Polonophilie läßt sie als Sachwalterin deutscher Interessen gerade gegenüber Warschau als ungeeignet erscheinen. In ihrer Eigenschaft als Polen-Beauftragte der Bundesregierung prangerte sie 2006 den Warschau-Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung, Thomas Urban, der das Zentrum gegen Vertreibungen befürwortet, in der polnischen Presse als Urheber des schlechten deutschen Polenbildes an. Urban und seine Familie wurden danach massiv bedroht. Er nannte es "ein Novum, daß ein Vertreter der Bundesregierung ... in einem Medium eines anderen Landes einen dort akkreditierten Korrespondenten kritisiert und zu diskreditieren versucht". Ob Schwan bewußt ist, daß sie die alte deutsche Angewohnheit fortgesetzt hat, innenpolitische Gegner im Ausland zu denunzieren, um von dort durch ein herablassendes Schulterklopfen Erhöhung zu erfahren? Grundlage einer freien, demokratischen Gesellschaft sind laut Schwan "Selbst- und Fremdvertrauen, Selbstsicherheit". Doch will sie überhaupt Repräsentantin eines selbstbewußten Landes sein? Gäbe es die Chance der freien politischen Debatte, die Kandidatur Gesine Schwans löste sie aus!

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen