© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/08 23. Mai 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Vorbildfunktion
Karl Heinzen

Die Konsumgesellschaft wird sich verabschieden“, hat David Bosshart, der Leiter des Schweizer Gottlieb Duttweiler Instituts, auf dem 13. Deutschen Trendtag bekanntgegeben, der kürzlich in Hamburg ausgerichtet wurde. Viele der anderen Koryphäen aus jener Branche, die ihre Orakel über die gesellschaftlichen Befindlichkeiten von morgen zu vermarkten versucht, scheinen ihm im Kern recht zu geben. Aus ihren Beobachtungen von amerikanischen Filmstars und prominenten Kreativen in den westlichen Metropolen – beide Gruppen sind neben Skateboardfahrern die zuverlässigsten Seismographen für Veränderungen in der Werteorientierung der Menschheit – schließen sie, daß die Zeit, in der sozialer Status in allererster Linie aus dem demonstrativen Konsum von Luxusgütern abgeleitet wurde und noch immer wird, ihrem Ende entgegengeht. Wer in Zukunft etwas darstellen wolle, müsse danach trachten, als eine ethisch handelnde Persönlichkeit anerkannt zu werden und Werte wie Gemeinschaft und Vertrauen verkörpern.

Ist damit das schon so oft beschworene postmaterialistische Zeitalter angebrochen, in dem Geld keine Rolle mehr spielt? Mitnichten. Wer über Reichtümer verfügt, wird sich weiterhin an ihnen erfreuen können, ohne an Achtung zu verlieren. Er ist nur nicht länger gezwungen, sich ständig darüber auf dem laufenden zu halten, welche für den Pöbel unerschwinglichen Edelmarken gerade besonders angesagt sind, um sich dann zu überhöhten Preisen mit allerlei Schnickschnack auszustaffieren, den er eigentlich gar nicht benötigt. In Zukunft langt eine öffentlich wahrgenommene Spende für einen guten Zweck, zum Beispiel zur Bekämpfung des Klimawandels, um zu dokumentieren, daß man über Geld verfügt und noch dazu weiß, wieviel Gutes man mit ihm bewirken kann.

Die Abkehr vom demonstrativen Konsum ist aber nicht bloß eine Mode oder gar die Besinnung auf Ewiggültiges, sondern vielmehr ein Gebot zur Wahrung des sozialen Friedens. Immer mehr Menschen können sich immer weniger leisten, auch wenn sie einem Beruf nachgehen, der zudem immer höhere Ansprüche an sie stellt. Das Versprechen der Marktgesellschaft, daß man es durch Fleiß und Engagement zu einem gewissen Wohlstand bringen kann, läßt sich im großen und ganzen nicht mehr einlösen. Wenn die Massen dennoch zufriedengestellt bleiben sollen, muß man ihnen deutlich machen, daß Konsum gar nicht so wichtig ist, sondern die wahren Werte zählen. Hier sollten die Reichen mit gutem Beispiel vorangehen, gerade weil sie reich bleiben werden.

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