© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/08 23. Mai 2008

Unrühmliches Ende einer Karriere
Israel: Ermittlungen gegen Premier Olmert wegen Korruptionsverdachts / Spekulationen über politische Hintergründe / Nachfolgerin Liwni?
Ivan Denes

Die Tage des Ehud Olmert im Amt des israelischen Ministerpräsidenten scheinen diesmal doch gezählt zu sein. Zwar liefen gegen den gewieften Rechtsanwalt schon mehrere Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts. Einer Anklageerhebung konnte er aber bislang mit geschickten juristischen Tricks – zumindest vorläufig – entgehen. Dabei ging es um Begünstigung während seiner Dienstzeit als Bürgermeister von Jerusalem und als Handels- und Finanzminister. Die Vorwürfe drehen sich um den überteuerten Verkauf seines Hauses, den günstigen Erwerb einer hochwertigen Immobilie („Crémieux-Street Affäre“), um Machenschaften beim Verkauf der traditionsreichen Bank Leumi und sogar um Geschenke für seine umfangreiche Füllfederhaltersammlung.

Der 62jährige, der 2006 nach dem gesundheitsbedingten Ausscheiden Ariel Scharons an die Spitze der Kadima-Partei und der israelischen Regierung gelangt ist, bewegt sich auch politisch in schwerem Fahrwasser. Er hat dem Druck der US-Regierung nachgegeben und Verhandlungen mit der Fatah des palästinensischen Autonomiepräsidenten Mahmud Abbas eingeleitet. Olmert hat bisher verhindert, daß die israelische Armee massiv gegen den Dauerbeschuß Südisraels durch Raketen aus dem Gaza-Streifen vorgeht. Und kürzlich hat er durchblicken lassen, daß er zugunsten eines Friedensschlusses mit Syrien die Golan-Höhen aufgeben (JF 21/08) und eventuell die Zweiteilung Jerusalems akzeptieren würde. Olmert würde sogar auf Druck des proarabischen Flügels im US-Außenministerium den größten Teil der jüdischen Siedlungen in Judäa und Samaria (Westbank) aufgeben – wenn es nur seinem weiteren Machterhalt dient.

Aber kurz vor den Feiern zum 60. Jahrestag der Gründung Israels meldete sich Morris Talansky zu Wort, ein zum Geschäftsmann mutierter US-Rabbiner, dessen Familie in Israel lebt und der jährlich zweimal das Heilige Land besucht. Talansky hat Olmerts politische Karriere seit 1994 mit sechsstelligen Dollarsummen unterstützt. Er soll nicht nur eigenes Geld in die Wahlkämpfe Olmerts gesteckt haben, sondern sein 1999 gegründeter New Jerusalem Fund soll auch als Sammelbecken für Spenden von jüdischen US-Millionären gedient haben, darunter von Sheldon Adelson, der in der Immobilienbranche von Las Vegas zum Multimilliardär wurde.

Anklageerhebung könnte jahrelang verzögert werden

Unklar ist, warum Talansky gerade jetzt ans Licht getreten ist. Wurde er aus politischen Gründen veranlaßt, auszupacken? Haben ihn Gegner eines Kompromisses mit den Palästinensern vorgeschoben? Oder hat ihn Olmert irgendwann nur beleidigt? Die New York Times hat gemeldet, daß eine von Talanskys Firmen auch für eine hohe New Yorker Hotelrechnung von Olmert und seiner Gattin, der linken Künstlerin Aliza Olmert, aufgekommen sei. Talanskys Fahrer hat ausgesagt, daß er persönlich dicke Umschläge mit Geld an Olmert und dessen langjährige Sekretärin, Shula Zaken, übergeben habe. Letztere hat während mehrerer Verhöre ihre Loyalität zu Olmert durch Rückgriff auf ihr Schweigerecht bekundet. Olmert selbst hat zugegeben, die Gelder erhalten zu haben. Sie seien ausschließlich für Wahlkampagnen verwendet worden, er habe nie etwas für sich genommen. Und im übrigen seien die Gelder immer von seinem Anwalt, Uri Messer, gehandhabt worden. Dieser soll Presseberichten zufolge nunmehr bereit sein, als Kronzeuge gegen seinen bisherigen Mandanten auszusagen. Olmert erklärte inzwischen, daß er im Falle einer Anklageerhebung zurücktreten werde – doch die kann manchmal über Jahre hinweg verzögert werden.

Zum Hintergrund der Spendenaffäre muß man wissen, daß 1994 die israelischen Gesetze zur Knesset-Wahl geändert worden sind, um überhöhte Spenden zu blockieren. Die Parteien sind seither im Kern auf öffentliche Gelder angewiesen. Dies gilt aber nicht für die parteiinternen Vorwahlen, die nach amerikanischem Muster in Israel eingeführt wurden. Da werden auf dem Spendenweg Listenplätze ausgehandelt, die dann durch verschiedene Begünstigungen honoriert werden können. So soll etwa ein Talansky nahestehendes Unternehmen während Olmerts Bürgermeisterzeit die Genehmigung für die Belieferung der Minibars an Jerusalemer Hotels erhalten haben.

Nach dem Austritt von drei Mitgliedern der Rentnerpartei Gil hat Olmerts Koalition nur noch 64 der 120 Knesset-Abgeordneten hinter sich. Es rumort mächtig in seiner Kadima-Partei, aber auch bei der sozialdemokratischen Awoda sowie bei der orthodoxen Schas-Partei. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich vier weitere Abgeordnete finden werden, denen ihr Gewissen wichtiger ist als der Wunsch, ihr Mandat bis 2010 auszusitzen. Olmert ist zwar ein aalglatter Überlebenskünstler, aber der jetzt entfachte politische Tsunami wird wohl seiner politischen Karriere ein Ende setzen.

Es wird entweder zu vorgezogenen Neuwahlen im Herbst kommen, oder Außenministerin Tzipora „Tzipi“ Liwni wird an die Spitze von Partei und Regierung rutschen. Und noch ein Nebeneffekt ist bemerkenswert: In den israelischen Medien werden Stimmen laut, die die amerikanischen Juden auffordern, sich zukünftig nicht mehr in die israelische Politik einzumischen – weder mit Geld noch mit Einfluß. In seinem 61. Lebensjahr ist der Staat offenbar selbstbewußter geworden.

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