© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/08 23. Mai 2008

Schäuble gibt den unermüdlichen Warner
Verfassungsschutzbericht: Bundesinnenminister sieht im Islamismus größte Gefahr / Beobachtung der Linkspartei ohne V-Leute
Marcus Schmidt

Vielleicht „fehlt“ ja tatsächlich der große Knall, fehlen fernsehtaugliche Bilder von durch Sprengsätze zerrissenen S-Bahnzügen in Berlin, Hamburg oder München mit Hunderten von Opfern. So aber drang Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auch diesmal nicht durch, als er in der vergangenen Woche bei der Vorstellung des Bundesverfassungsschutzberichtes für 2007 deutlich zu machen versuchte, daß der islamistische Terrorismus die größte Bedrohung für die Stabilität und Sicherheit in Deutschland ist.

Doch die meisten Medien vermeldeten die Warnung vor einem drohenden Anschlag, der nach Einschätzung Schäubles bislang nur durch die professionelle und umsichtige Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindert worden sei, eher pflichtschuldig als in der Überzeugung, daß dies ein wichtiges, ja ein lebenswichtiges Thema für das Land sei. Dabei hatte der Innenminister erneut daran erinnert, daß die im vergangenen Jahr bei der Festnahme der sogenannten „Sauerland-Gruppe“ sichergestellten Chemikalien für den Bau von Bomben gereicht hätten, „deren Wirkung noch verheerender gewesen wäre als die Anschläge von Madrid und London“. Mittlerweile sind 30 islamistische Organisationen in Deutschland aktiv.

Vielleicht lag es aber auch einfach daran, daß der Islamismus in der an die Journalisten verteilten Kurzfassung des Verfassungsschutzberichtes erst hinter der „politisch motivierten Kriminalität“ sowie dem Rechts- und Linksextremismus zu finden war.

Beim Thema Rechtsextremismus stieß der Innenminister erwartungsgemäß auf offenere Ohren, zumal er mit griffigen Formulierungen davor warnte, die Rechtsextremisten setzten ihre Bemühungen fort, „sich in der Mitte unserer Gesellschaft einzunisten“. Daher erfordere der Rechtsextremismus die besondere Aufmerksamkeit von Staat und Gesellschaft, sagte Schäuble. Wirklich Neues bietet der Verfassungsschutzbericht zu diesem Thema allerdings nicht. So fand denn selbst das kürzlich verfügte Verbot zweier randständiger Vereine, in denen sich einige Holocaust-Leugner zusammengeschlossen hatten, seinen Platz in der Aufzählung des Innenministers.

Die vom Verfassungsschutz zusammengetragenen Zahlen deuten nicht auf ein akutes Anwachsen der Gefahr durch die Extremisten von rechts hin. Die Zahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten (minus 6,4 Prozent) ging ebenso zurück wie das „rechtsextremistische Personenpotential“: Wurden 2006 noch 38.600 Personen dieser Kategorie
zugeordnet, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 31.000. Dagegen stieg das „neonazistische Personenpotential“ geringfügig auf 4.400 (2006: 4.200) Personen. Breiten Raum nimmt zudem die Berichterstattung über die NPD ein (siehe den Artikel auf dieser Seite).

Bereits vor der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes hatte eine Meldung zum Linksextremismus für medialen Wirbel gesorgt. Die Bild-Zeitung berichtete von einer Unterwanderung der Linkspartei durch Extremisten. Davon abgesehen, daß die angeführten Hinweise, etwa auf die Tätigkeit der Kommunistischen Plattform, nicht neu waren, erstaunte die Art und Weise, wie gerade der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, dieses Thema herunterzuspielen versuchte. Seine Behörde beobachte die Partei mit einem „sehr kleinen Personeneinsatz“ und werte zudem seit langem nur öffentlich zugängliche Informationsquellen aus, beschwichtigte er.

Mit Blick auf die Krawalle während des G8-Gipfels überrascht es nicht, daß die linksextremistischen Gewalttaten „weiterhin auf hohem Niveau“ liegen. Unter den 833 linksextremistischen Gewalttaten (2006: 862) waren unter anderem auch 51 Brandstiftungen.

Zu denken gibt den Verfassungsschützern mittlerweile offenbar die Beteiligung von Linksextremisten am „Kampf gegen Rechts“. Unter dem Deckmantel der „Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen“ würden tatsächlich linksextremistische Zielsetzungen verfolgt, heißt es in dem Bericht. Dazu gehörten „die Überwindung der freiheitlich verfaßten demokratischen Grundordnung und die Beseitigung der dem ‘kapitalistischen System’ angeblich innewohnenden Wurzeln des Faschismus“.

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