© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/08 16. Mai 2008

Bleibende Erinnerungen
Vertriebene I: Ostpreußentreffen in Berlin / Diskussion über "Sichtbares Zeichen"
Natalia Liepelt / Wolfram Wehl

Unter dem Motto "Ostpreußen bleibt" fanden sich am Pfingstwochenende auf dem Messegelände in Berlin rund 20.000 Vertriebene und deren Nachkommen zum Treffen der Landsmannschaft Ostpreußen ein. Der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, deutete das gewählte Motto dahingehend, daß an Ostpreußen als historischem Begriff und als Kulturgemeinschaft festgehalten werden solle, der territoriale Verlust des Landes aber akzeptiert worden sei.

Ein wichtiges Thema auf dem diesjährigen Ostpreußentag war die Erinnerung an Flucht und Vertreibung. In einer Podiumsdiskussion ging es um den Kompromiß zwischen dem Bund der Vertriebenen (BdV) und der Bundesregierung in der Frage eines Denkmales in Berlin für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Unter dem Arbeitstitel "Sichtbares Zeichen" soll in den kommenden Jahren im Deutschlandhaus in Berlin eine Dauerausstellung eingerichtet werden, die unter anderem auch die Vertreibung der Deutschen dokumentieren wird (JF 14/08).

Oliver Dix, BdV-Landesvorsitzender von Niedersachsen, erinnerte daran, daß es ohne Mitwirken des BdV und insbesondere seiner Präsidentin Erika Steinbach keinen Kabinettsbeschluß für ein "Sichtbares Zeichen" gegeben hätte. Er äußerte die Vermutung, daß sich wohl auch noch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und der Bundestagsabgeordnete Markus Meckel mit dem gefundenen Kompromiß anfreunden könnten. Beide SPD-Politiker hatten die Pläne für ein Zentrum gegen Vertreibungen in der Vergangenheit stets scharf kritisiert. Im Gegensatz dazu gibt es von seiten der polnischen Regierung unter Donald Tusk mittlerweile keine Kritik mehr am "Sichtbaren Zeichen", wenngleich eine offizielle Beteiligung der Polen an dieser Initiative ausgeschlossen wird.

Dix bekräftigte die Forderung des Verbandes, daß das Schicksal der Vertriebenen nach über 60 Jahren in der Erinnerungskultur der Deutschen einen festen Platz bekommen müsse, damit der eigenen Opfer würdevoll gedacht werden könne. Es müsse ein Ort geschaffen werden, an dem es den Vertriebenen gestattet sei, um ihre verlorene Heimat zu trauern.

Die Bundesrepublik tue sich schwer mit dem Gedenken an deutsche Opfer. Aus diesem Grunde sprach sich BdV-Vizepräsident Hans-Günther Parplies für eine staatliche Dokumentationsstätte aus. Es sei notwendig, daß der Staat nun eine Position zu Flucht und Vertreibung bezieht, damit "das Gedächtnis in der Nation steht und weitergeführt wird". Die inhaltliche Diskussion müsse wider der Political Correctness geführt werden, um eine eindimensionale Sicht auf die Vertreibung zu vermeiden. Klar sei dabei, daß der BdV als Urheber der "Zentrums-Idee" einen möglichst großen Einfluß auf die Gremienbesetzung und die Inhalte haben soll.

Von Gottberg gab zu bedenken, daß die staatliche Unterstützung für das "Sichtbare Zeichen" nicht objektiv sei. "Ursachen und Folgen müssen differenziert betrachtet werden", jede Tat müsse für sich stehen. Deshalb dürfe man Flucht und Vertreibung nicht mit der ausgezeichnet dokumentierten Gewaltherrschaft unter den Nationalsozialisten vermischen. Vielmehr sei es notwendig, eine Gedenkstätte zu errichten, an der die Deutschen schwerpunktmäßig ihrer Opfer von Krieg und Vertreibung gedenken könnten.

Auch die Staatsministerin und stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin Christa Stewens (CSU) griff das Thema Erinnerung auf. Sie lobte die Landsmannschaft Ostpreußen dafür, an der Einheit der deutschen Nation festgehalten und mitgewirkt zu haben. Die Vertreibung der Deutschen bezeichnete sie als den folgenschwersten Einbruch in der europäischen Geschichte: "Die Zeit heilt keine Wunden."

Mit dem Kulturpreis der Landsmannschaft wurde in diesem Jahr Hildegard Rauschenbach für ihr Buch "Ich war verschleppt in Sibirien" geehrt. Wulf Wagner erhielt für seine Verdienste um die Erforschung der ostpreußischen Bau- und Kulturgeschichte den Kulturpreis für Wissenschaft.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen