© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/08 16. Mai 2008

Unmut über Diätenerhöhung wächst
Bundestag: Opposition kritisiert Gesetzentwurf der Großen Koalition / Berichte über Parteiaustritte / Schimpfkanonaden im Internet
Hans Christians

Die Pläne der Großen Koalition, die Bezüge der Bundestagsabgeordneten ab dem 1. Januar 2009 anzuheben, haben eine heftige Debatte über die grundsätzliche Regelung der Diäten der Volksvertreter ausgelöst (siehe auch den Kommentar auf Seite 2). Nach dem Gesetzentwurf sollen die Abgeordnetenbezüge am 1. Januar 2009 um 278 auf 7.946 Euro steigen und ein Jahr später um weitere 213 Euro auf 8.159 Euro. In den 7.946 Euro monatlich ist bereits die im vergangenen November beschlossene Anhebung um 4,48 Prozent für 2009 enthalten. Insgesamt beträgt die Erhöhung zum 1. Januar kommenden Jahres damit 8,3 Prozent.

Zum 1. Januar 2008 waren die Diäten bereits um 330 Euro (plus 4,7 Prozent) auf derzeit 7.339 Euro gestiegen. Bei der ersten Lesung des Gesetzes in der vergangenen Woche hagelte es Kritik aus den Reihen der Oppositionsparteien. Die Bundesregierung begründete ihr Vorhaben mit den gestiegenen Bezügen der Bundes- und Landesbeamten. Dem entgegnete der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Ernst Burgbacher: "Höheren Beamtenbezügen stimmen wir ausdrücklich zu. Daß aber urplötzlich von hinten durch die kalte Küche auch die Diäten der Abgeordneten erhöht werden sollen, ist ein unglaublicher Vorgang." Diese zusätzliche Erhöhung um 6,4 Prozent sei maßlos. Auch Vertreter von Grünen und Linkspartei kritisierten die geplante Regelung als "scham- und instinktlos".

Burgbacher verwies während des Schlagabtausches im Reichstag auf einen FDP-Antrag. Darin fordern die Liberalen, daß Abgeordnete "nicht selbst über die Höhe ihrer Entschädigungen entscheiden" sollen. Wenn man selbst über die eigenen Bezüge entscheide, funktioniere an diesem Punkt die Gewaltenteilung nicht richtig, unterstrich auch der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion Otto Fricke. Nach dessen Vorstellung soll Bundespräsident Horst Köhler eine Kommission unterstellt werden, die die Abgeordnetenbezüge zu regeln habe. "Es ist nicht sinnvoll, daß die Parlamentarier selbst über ihr Gehalt entscheiden können. Damit schaffen wir eine Abzockermentalität, die dazu geeignet ist, die Volksvertreter vom Volk zu entfernen."

Der Kritik, die Initiative sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, setzte der FDP-Mann Burgbacher entgegen, daß es konkrete Vorschläge gebe, wie das Grundgesetz abgeändert werden könne. Die Liberalen hätten zudem darauf geachtet, daß "alle Vorschläge des Bundesverfassungsgerichts zu den Diäten in den Antrag aufgenommen" wurden. Doch auch in den Reihen der Koalitionsparteien waren in den vergangenen Tagen merkliche Zwischentöne zu vernehmen. Nicht nur, daß sich zahlreiche Abgeordnete auf der Internet-Plattform "abgeordnetenwatch" ( www.abgeordnetenwatch.de ) Schimpfkanonaden aufgebrachter Bürger ausgesetzt sahen - sogar erste Parteiaustritte hat es bereits gegeben. So sollen in Bayern und Nord-rhein-Westfalen mehrere Personen ihre Mitgliedsbücher der Union zurückgegeben haben.

Auch innerhalb der SPD gärt es. Im Saarland, wo sich der Landesverband massiver Konkurrenz durch die von Oskar Lafontaine angeführte Linkspartei ausgesetzt sieht, hagelt es Kritik: "Die Leute im Wahlkreis sind stinksauer. Es haben Mitglieder ihren Austritt angekündigt, wenn es bei der geplanten Regelung bleibt", sagte der Parteilinke Ottmar Schreiner. Die schleswig-holsteinische Landesgruppe der SPD-Fraktion kündigte einen Vorstoß an, die geplante Regelung doch noch zu verhindern. Unterstützung erhielten die Kritiker auch von Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler, der alle Bürger aufforderte, "gegen diese Unverschämtheit zu opponieren". Däke: "Kontaktieren Sie Ihren Wahlkreisabgeordneten und fragen ihn, wie er sich verhalten wird."

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