© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Licht und Dunkel
Politische Zeichenlehre XLVIII: Fackel
Karlheinz Weissmann

Es ist mittlerweile ruhig geworden um den olympischen Fackellauf, aber allen sind noch die dramatischen Bilder der letzten Wochen in Erinnerung. Sonst eher als unbedeutendes Vorspiel zum Eigentlichen betrachtet, hat der Fackellauf durch die zahlreichen Versuche von Tibet-Sympathisanten, ihn zu behindern oder aufzuhalten, und die rabiaten Methoden der chinesischen Sicherheitskräfte, seine Durchführung zu gewährleisten, eine eigene symbolische Qualität gewonnen. Als Teil des olympischen Zeremoniells steht er im Ruch der Altehrwürdigkeit, allerdings wurde in Kommentaren zum aktuellen Geschehen schon darauf hingewiesen, daß diese Inszenierung mit der Olympiade der Antike gar nichts zu tun hat und erst seit 1936 durchgeführt wird - was den Fackellauf prompt in den Verdacht brachte, "faschistisch" zu sein.

Von irgendwelcher Eindeutigkeit ist der symbolische Gebrauch der Fackel allerdings weit entfernt. Ursprünglich gehörte sie ganz zum Kreis der religiösen Symbole, etwa als Attribut von Lichtgottheiten oder als brennende Fackel, die das Leben, als erloschene Fackel, die den Tod versinnbildlichte. Fackeln spielten eine Rolle bei manchen kultischen Feierlichkeiten, die in der Nacht vollzogen wurden, wovon vielleicht noch unsere Lichterumzüge im Frühjahr zeugen. Aber erst durch die Aufklärung und ihre Bildpropaganda erhielt die Fackel als antikisierendes Motiv eine herausgehobene symbolische Bedeutung, weil sie geeignet schien, die "Erleuchtung" des menschlichen Geistes auszudrücken, der vom "Obskurantismus" zu befreien war. Noch der Titel der berühmten Zeitschrift Die Fackel des Wiener Literaten Karl Kraus war dieser Vorstellung verpflichtet.

Im Sinn der Aufklärung fand die Fackel Verwendung in der Ikonographie der Französischen Revolution und aller von ihr beeinflußten Bewegungen. Vor allem der Liberalismus des 19. Jahrhunderts griff dankbar auf das Motiv der "Freiheitsfackel" zurück. Das bekannteste Beispiel für deren Verwendung dürfte die amerikanische Freiheitsstatue in New York sein, die mehr als vierzig Meter hohe Figur einer Frau in langem Gewand mit Strahlenkrone auf dem Haupt, die eine Fackel emporreckt, die nachts über dem Hafen leuchtet. Der US-Bundesstaat Indiana übernahm diese Fackel 1917 sogar in seine Flagge, zusammen mit der Inschrift Liberty and Enlightenment - "Freiheit und Aufklärung".

Entsprechende Motive tauchten zeitgleich in der kommunistischen Propaganda auf. Nach dem Umsturz in Rußland warben zahlreiche Plakate der Kommunisten mit der Fackel für die Idee, die alte Welt nicht so sehr aufzuklären als durch eine Revolution in Brand zu stecken. Aus nahe liegenden Gründen findet man die Freiheitsfackel auch in der Nationalsymbolik der jungen afrikanischen Staaten (Kongo/Zaire, Mali, Sierra Leone, Tanganjika/Tansania, Ägypten) und in der Propaganda des Kalten Krieges.

Geht es bei der Freiheitsfackel ganz eindeutig darum, Licht in die Finsternis zu bringen, verhält sich das anders bei der Verwendung von Fackeln für demonstrative Aufmärsche oder Aufstellungen in der Nacht. Hier geht es nicht um Erhellung, sondern um das Widerspiel zwischen Dunkelheit und Licht.

Fackelmärsche zu Ehren besonderer Persönlichkeiten waren im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beliebt und hatten seit dem Vormärz einen festen Platz in der Festkultur des deutschen Bürgertums. Von hier aus fanden solche Inszenierungen Eingang in die Arbeiterbewegung, aber auch in den Nationalsozialismus. Berühmt ist der Fackelmarsch durch das Brandenburger Tor nach Hitlers Machtübernahme, und in der Folge gab es zahlreiche ähnliche Inszenierungen, die vor allem durch das Düstere, das ihnen anhaftete, Faszination ausübten.

Fackelmärsche wurden trotz der Funktion für die nationalsozialistische Propaganda aber nicht als so belastet angesehen, daß sie nach 1945 vollständig verschwanden. In der Bundesrepublik nahmen die studentischen Korporationen, aber auch die Jugendverbände der Parteien den Brauch wieder auf, und auch in der DDR gab es zahlreiche Demonstrationen dieser Art, angefangen bei den Feierlichkeiten zum Gedenken Stalins bis zu Großveranstaltungen der Partei, der Streitkräfte oder gesellschaftlicher Organisationen.

Daß der Fackellauf auf die Olympiade 1936 im nationalsozialistischen Deutschland zurückgeht, ist angesichts dessen eher ein symbolgeschichtliches Detail und jedenfalls kein geeignetes Argument zu ihrer Diskreditierung.

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

Foto: Olympische Fackel 2008

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