© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Zeitschriftenkritik: Merkur
Amerika, du hast es besser
Thorsten Thaler

Sieben Jahre ist es her, daß sich der Rechtsanwalt und Autor Horst Meier in der Monatszeitschrift Merkur ausgerechnet anhand brisanter Themen wie Rassenhetze und Auschwitz-Leugnung um die Meinungsfreiheit hierzulande sorgte und einen Vergleich mit der äußerst liberalen Praxis in den USA anstellte, bei dem die deutschen Verhältnisse alles andere als gut wegkamen. "Am Ende könnten gar Zweifel aufkeimen, ob in Deutschland wirklich die beste aller denkbaren Rechtsordnungen erfunden wurde", hielt Meier im Jahre 2001 fest. Und schon damals postulierte er, daß nur "in einem unaufhörlichen Diskussionsprozeß, in dem ausnahmslos jeder mit allen Ansichten gehört wird", sich annäherungsweise klären lasse, welche Politik dem Gemeinwesen dienlich sei. "Öffentliche Vernunft erwächst aus dem ungehemmten Wettbewerb der Meinungen."

Jetzt hat der gemeinhin als politisch im linken Spektrum verortete Meier, Jahrgang 1954, im aktuellen Mai-Heft des von Karl Heinz Bohrer und Kurt Scheel herausgegebenen Merkur (Untertitel: Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken) seinen damaligen Aufsatz recycelt, ihn umgeschrieben, ergänzt und erweitert. Grund dafür gibt es allemal, ist doch inzwischen der Paragraph 130 Strafgesetzbuch ("Volksverhetzung") zuletzt erst 2005 erneut verschärft worden. Meier leitet seinen Rechtsvergleich mit den USA mit dem Fall des "notorischen Auschwitz-Leugners" Ernst Zündel ein, der im Februar 2007 vom Landgericht Mannheim wegen fortgesetzter Volksverhetzung zur Höchststrafe von fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Meier hält das erkennbar für mindestens, sagen wir: fragwürdig. Es könne sein, daß die Deutschen ein "gestörtes Verhältnis" zur Meinungsfreiheit haben. In Amerika hätten vergleichbare Strafgesetze keine Chance. Nach einer ausführlichen Betrachtung des im ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung verankerten Rechtsguts Redefreiheit (freedom of speech) und der Spruchpraxis des Supreme Court, des obersten Verfassungsgerichts der USA, rauft sich der Jurist Meier beim Blick auf Deutschland verzweifelt die Haare: "Wenn nur die Befürworter der deutschen Rechtslage ein bißchen bescheidener wären; wenn sie verstünden, daß Haftstrafen für Kommunikationsdelikte in einer Demokratie nicht üblich sind; wenn sie ihr furchtbar gutes Gewissen einen Augenblick irritieren ließen (...) Dann könnten Paragraphen wie der gegen 'Volksverhetzung' wenigstens als Verkürzung der Meinungsfreiheit erkannt werden. Als notwendiges Übel, das man vielleicht in Kauf nimmt, aber auf keinen Fall, wie hierzulande inzwischen üblich, als Errungenschaft der Vergangenheitsbewältigung ausgibt."

Redefreiheit, so Meier, sei der Stachel, den das amerikanische Verfassungsdenken für uns Deutsche bereithält. "Wo man nicht auf die Freiheit stolz ist, sondern auf ihre Einschränkung, da stimmt etwas nicht. Wo man nicht zuerst die Debatte, sondern das Strafgesetz verschärft, da ist etwas faul." Amerika, du hast es besser!

Merkur, c/o Verlag Klett-Cotta, Rotebühlstraße 77, 70178 Stuttgart. Das Einzelheft kostet 11 Euro, ein Jahresabonnement 106 Euro. Internet: www.online-merkur.de

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