© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Vielfalt oder Zentralismus
Föderalismus: Eine Tagung an der Verwaltungshochschule in Speyer lotet die Chancen für eine weitere Entflechtung des Staates aus
Klaus Peter Krause

Wie schwer die Föderalismusreform ist, hat schon die erste Reformstufe gezeigt. Dabei ging es um die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen und Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Größer noch sind die Schwierigkeiten bei der zweiten Reformstufe (Föderalismusreform II). Hier geht es erstens (und in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem) um die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ("Korb 1"), aber zweitens auch darum, die Verwaltung in und zwischen Bund und Ländern zu erleichtern, zu entbürokratisieren und zu verbessern ("Korb 2").

Diese Föderalismusreform II war auch Gegenstand einer Tagung mit Fachleuten aus Verwaltung, Wissenschaft und Politik, jüngst veranstaltet von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften (DHV) in Speyer. Den Föderalismus stärken, nicht schwächen - das war der (wenn auch nicht durchweg einhellige) Grundtenor. Stichworte sind unter anderem: mehr bundesstaatliche Vielfalt, weniger Politikverflechtung, eine klarere Verantwortungszuordnung, mehr Transparenz.

Die schweren Brocken der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sind das Steuerrecht, der Finanzausgleich und die Verschuldung. Aber der DHV-Rechtswissenschaftler Joachim Wieland meint: "Wie immer man die Verschuldungsregel formuliert, sie wird nicht funktionieren." Der Bundestagsabgeordnete Jochen Konrad Fromme (CDU) sieht unter anderem folgende  Möglichkeiten, gegen weitere Verschuldung vorzugehen: öffentliche Kredite nur mit gleichzeitigem Tilgungsplan aufnehmen, das öffentliche Rechnungswesen von der Kameralistik auf die kaufmännische Buchführung umstellen und so in den Haushalten für mehr Transparenz sorgen sowie eine Konjunkturausgleichsrücklage schaffen und sie jährlich mit einem Betrag in Höhe von zehn Prozent vom jeweiligen Fünf-Jahres-Durchschnitt der Ausgaben bestücken.

Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) erläuterte seine Maßnahmen zum Haushaltsausgleich und Schuldenabbau für Berlin. "Man muß", sagte er,  "das Sparen auch durchhalten, wenn die Einnahmen gestiegen sind. Und unsere Ausgaben steigen nicht, solange der Haushalt nicht ausgeglichen ist."  Entscheidend für den Schuldenabbau ist nach seiner Ansicht der politische Wille, "und der muß täglich vorhanden sein". Berlin hat mit Sarrazin einen eigenen Reformvorschlag für die Finanzverfassung bereit: Für eine Steuerverwaltung durch den Bund sprach sich wie Sarrazin auch Horst Erb vom Bundesrechnungshof aus.

Die stark ausgebaute Verflechtung zwischen Bund und Ländern führe im Steuerbereich zu unklaren Verantwortlichkeiten und zu intransparenten Abstimmungsvorgängen; sie entspreche nicht dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes. Dadurch werde die vollständige und rechtzeitige Erhebung der Steuern behindert. Das wiederum beeinträchtige in Deutschland die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Damit ist für Erb und den Bundesrechnungshof eine Entflechtung geboten und die Steuerverwaltung nicht mehr den Ländern zu überlassen, sondern auf den Bund zu konzentrieren.

Ihm widersprach Eckehard Schmidt vom bayerischen Finanzministerium. Die von Erb beklagten Vollzugsdefizite lägen am zu komplizierten deutschen Steuerrecht. Gegen die Verwaltung durch den Bund führt er eine ganze Reihe von Argumenten auf. Er plädiert für ein "optimiertes Ländermodell" und verspricht sich davon eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Diesem Plädoyer sekundierte Ulrich Stephan vom Justizministerium Baden-Württembergs: "Die zentralistischen Zeiten in Deutschland waren nicht die glücklichsten." Für ihn sei eine solche zentrale Verwaltung ein Alptraum.

Zum anderen Themenkreis der Reform (Korb 2) gehört auch der geplante Leistungsvergleich (benchmarking) in der öffentlichen Verwaltung. Einen ersten Eindruck über den Stand des Vorhabens sowie einige Erhebungsergebnisse vermittelte Reinhard Timmer aus dem Bundesinnenministerium. Hierbei geht es darum, Kosten, Leistungen und Qualität von Verwaltungen transparent zu machen, damit Verwaltungen in einen Wettbewerb zueinander treten und vom Besten lernen können. Robert  F. Heller von der Finanzbehörde Hamburgs ergänzte Timmers Vortrag mit Beispielen aus der Praxis.

In seiner Zusammenfassung der Tagung bekräftigte DHV-Rechtswissenschaftler Hermann Hill, es sei notwendig, den Föderalismus und damit die regionale Identität zu kräftigen. Leistungsvergleiche, Kooperationen und das Recht der Länder, von Bundesrecht abzuweichen, würden die Länder in ihrer Selbständigkeit bei eigenen Lösungen stärken. Aber er ist wie Wieland sehr skeptisch, daß es zu einer wirklichen Reform kommt.

Wieland hatte seine Skepsis schon zu Beginn artikuliert. Gründe dafür sind: Die Beharrungskraft für das Bestehende ist groß, die Ministerialbürokratie des Bundes leistet aus Angst vor Kompetenzverlust Widerstand, die Lobby bevorzugt Bundeskompetenz ,statt durch sechzehn Bundesländer "tingeln" zu müssen, die Wirtschaft will wegen geringerer Transaktionskosten Rechtseinheit, sie und die Bürger fürchten eine Zersplitterung des Rechts, die Bürger sehen bundesstaatliche Vielfalt überwiegend skeptisch, der Wunsch nach gleichwertigen Lebensverhältnissen ist stark ausgeprägt, die Sozialverbände fürchten von den Ländern das Schlimmste und setzen mit ihrem Wunsch nach gleichem Sozialniveau ebenfalls lieber auf den Bund, finanzschwache Länder hängen an der Mischfinanzierung und nehmen es damit in Kauf, daß sie am "goldenen Zügel" des Bundes geführt werden.

Zwar gibt es nach Wieland die weit verbreitete abstrakte Forderung, die  bundesstaatliche Ordnung zu modernisieren, aber daneben  die nicht weniger verbreitete Abneigung gegen konkrete Reformen. Diese Diskrepanz wird auf nachteilige Weise auch dem Vorhaben  Föderalismusreform II zusetzen.

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