© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Junge Christen trotzen Anfeindungen
Evangelische Kirche: Tausende Jugendliche besuchen das Christival in Bremen / Homosexuelle und Linksextremisten stören Veranstaltungen
Christian Dorn

Unter dem Motto "Moving the city" hatte das seit Kriegsende unter sozialdemokratischer Ägide regierte Bremen im Frühjahr 2004 mit einer bemerkenswert sinnfreien Aktion versucht, im öffentlichen Raum Dynamik zu entfalten. Hinter dem Anglizismus steckte damals die absurde Absicht, im Freien aufgestellte Plastiken und Kunstwerke rotieren zu lassen, deren Anblick man nicht mehr ertragen konnte. Vier Jahre später, am Vorabend des 1. Mai, eröffnete das mittlerweile fünfte "Christival". Das Fest junger evangelikaler Christen warb im Titel mit der für diesmal deutschsprachigen Losung "Jesus bewegt".

Wie zum Beweis, daß Christus zu allen Menschen kommt, fühlte sich auch ein Bündnis von Linken, Schwulen und Lesben angesprochen, dessen Vertreter jedoch wesentlich homogener wirkten als das sehr heterogene Publikum der "Christivaller". Bereits im Vorfeld hatten die linken Proteste - unterstützt durch die Denunziationen Volker Becks, des Parlamentarischen Geschäftsführers der Grünen im Bundestag - das Christival als homophobe Veranstaltung zu diffamieren versucht und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU)  aufgefordert, ihre Schirmherrschaft für das Christival zurückzuziehen. Ihr Ministerium hatte das christliche Festival mit einem Zuschuß von 250.000 Euro unterstützt.

Obschon das skandalisierte Seminar des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft (DIJG) mit dem Titel "Homosexualität verstehen - Chancen zur Veränderung" zurückgezogen worden war, hielten die Proteste bis zum Ende des christlichen Jugendkongresses an. Im Fokus der über einem halben Dutzend inkriminierten Veranstaltungen stand das Seminar der dezidiert lebensbejahenden Schwangerschaftskonfliktberatung "Die Birke e.V." aus Heidelberg. Diese hatte ein Seminar unter dem provokanten Titel "Sex ist Gottes Wille - Abtreibung auch?" angeboten.

Natürlich war damit weder ein Plädoyer für möglichst ungebundenen Sexualverkehr verbunden, und schon gar nicht eine Verharmlosung von Vergewaltigungen. Genau dieses aber machten ihnen die Gegner zum Vorwurf. Ausgangspunkt der Unterstellungen, die vor allem von der linken tageszeitung weiterverbreitet wurden, war die Insinuation von Annegret Siebe gewesen, der Landesgeschäftsführerin von "pro familia" Bremen. Daß die Kritik dabei ausgerechnet von einer Stelle kam, deren Name - aufgrund der von dieser Einrichtung forcierten Abtreibungspraxis - einen expliziten Euphemismus offenbart, ist dabei nur ein Aspekt unter vielen.

Der Verein "pro familia" hatte dem Verein "Birke" vorgeworfen, Vergewaltigungen zu verharmlosen, indem sie Frauen, die dadurch schwanger geworden sind, zwingen wolle, ihr Kind auszutragen. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT sagte Kristijan Aufiero, Geschäftsführer von "Die Birke e.V.", daß das von den Gegnern zitierte Beispiel überhaupt kein Seminargegenstand gewesen sei. Überdies könne es doch gar keinen Zweifel daran geben, daß eine Vergewaltigung ein schreckliches Verbrechen sei, das allerdings in der Beratungspraxis seines Vereins genauso selten vorkomme wie etwa die Schwangerschaft einer 14jährigen oder die Gefahr eines zu erwartenden behinderten Kindes, "vielleicht einmal in drei Jahren".

Vielmehr gehe es seinem Verein darum, Frauen bei der Geburt ihres Kindes zu unterstützen. Das Anliegen der "Birke" sei die "radikale Option zu helfen". Den schwangeren Frauen, die zu ihnen kommen, würden - anders als anderswo - feste finanzielle Zusagen gemacht, so Aufiero, "wir helfen den Frauen substantiell, noch bevor sie unser Büro verlassen". Der entscheidende Unterschied zu den öffentlich geförderten Einrichtungen bestehe darin, daß sein Verein keine Beratungsscheine zur Abtreibung ausstellt. Daraus resultiert auch der überzeugende Erfolg - nur wenige Frauen bleiben nach einer Beratung durch "Die Birke" noch bei ihrem Entschluß zur Abtreibung. Viel mehr Frauen könnte geholfen werden, wenn der Verein seine Öffentlichkeitsarbeit - vor allem via Internet - weiter ausbauen könnte. Hierfür wären aber zusätzliche finanzielle Mittel nötig; auch wäre es sehr hilfreich, wenn Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Werbeträger gewonnen werden könnten.

Indessen hatten die Gegner am Eröffnungsabend auf dem Dach der Kongreßhalle AWD Dome, in dem das "Christival" zu Hause war, ein Banner mit dem Motto "Christival abtreiben!" gehißt. Stunden zuvor bereits hatten Mitglieder vom schwul-lesbischen "Rat&Tat-Zentrum" und dem "antisexistischen" Bündnis "No Christival" vor dem Bahnhofsgebäude wegen der angeblich vom "Christival" ausgehenden "Diskriminierung von Homosexualität" Passanten und anreisende "Christival"-Besucher zu agitieren versucht. Ein schwul-lesbischer Chor mit dem Namen "Da capo al dente" sang im Kanon Lieder mit einschlägigen Textzeilen, etwa: "Nein, das darf doch nicht wahr sein, die Frau meines Freundes ist ein Hetero, so eine Pleite ... eine Hete, eine Hete!"

War hier die Auseinandersetzung noch sehr zivil verlaufen, änderte sich dies in den Abendstunden radikal. In Sichtweite der zubetonierten  "Bürgerweide", auf der die "Schäfchen des Herrn" zur Eröffnung des Christival versammelt waren, hatte sich der Schwarze Block eingefunden. Sein Treffpunkt war das Kulturzentrum Schlachthof, das ursprünglich ebenfalls Räumlichkeiten für das Christival zur Verfügung gestellt, diese aber später gekündigt hatte. Etwa dreihundert Personen wetterten via Megaphon gegen das Christival und brachen zu einem Demonstrationszug auf. Als sei es ein Zeichen, verdüsterte sich im gleichen Augenblick der Himmel über Bremen.

Minuten später dann stürmte eine Gruppe von 60 bis 80 sogenannten "Autonomen"  über zwei Absperrungen hinweg auf das Festgelände. Aufgrund der beherzt eine Mauer bildenden Ordner, Christival-Besucher und sogleich einschreitenden Polizeieinheiten konnten die Eindringlinge aber rasch zurückgedrängt werden. Durch den Angriff, bei dem auch Feuerwerkskörper flogen, wurden ein Polizist und eine Besucherin verletzt, zwei Linksextremisten wurden vorübergehend festgenommen.

Nicht unbeteiligt an der aufgeheizten Stimmung waren dabei die örtlichen Medien gewesen, allen voran das SPD-Blatt Weser-Kurier und die ARD-Fernsehsendung "buten un binnen", die sich in einer negativen Vorberichterstattung geübt hatten. Frappierend allerdings war auch die Zeitungslektüre am Eröffnungstag: Weder die Ausgabe des Weser-Kurier noch die des der CDU nahestehenden Weser Report hatten auch nur eine Zeile zu dem Großereignis Christival veröffentlicht. Dabei verzeichnete dieses insgesamt 16.000 Teilnehmer. Von ihnen stammten nach Angaben der Veranstalter ein Großteil aus der evangelischen Landeskirche sowie aus Freikirchen und sogar aus der katholischen Kirche. Für letztere dürfte es hier im nächsten Jahr ein Wiedersehen geben, ist doch für Pfingsten 2009 in Bremen der Katholische Kirchentag angekündigt.

Neben den über 200 Seminaren und sonstigen Festivalveranstaltungen bildete die "Messe Missionarischer Möglichkeiten" einen Fixpunkt des Christival-Geschehens mit Ständen für Bibelarbeit, Missionsdienste und Lebensschützern. Doch es gibt auch ganz andere Zeichen christlichen Wirkens, etwa den in Dresden beheimateten Verein "Stoffwechsel" (www.stoffwechsel.com), der sich in seiner Arbeit für Kinder und Jugendliche aus schwierigen sozialen und familiären Verhältnissen engagiert. Den etwa 350 pro Woche betreuten Kindern soll "mit der Liebe Gottes" begegnet werden, um ihnen zu zeigen, "daß sie Gott wertvoll sind".

Kostbar ist das Zusammenkommen der jungen Christen auch für die evangelische Kirche in Deutschland. So ist es zu erklären, daß am Freitagabend der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Wolfgang Huber höchstpersönlich angereist ist, um das gemeinsame Abendmahl mit den über 16.000 "Christivallern" zu feiern - ein Novum für das seit 1976 stattfindende Festival.                 

Foto: Besucher auf dem Christival: Über 200 Veranstaltungen

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