© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

Vorbild Sonnenkönig
Im Bann des Kurfürsten: Düsseldorf feiert Jan Wellem
Manfred Müller

Düsseldorf begeht das Jahr 2008 als Jan-Wellem-Jahr. Damit ehrt die Stadt einen ihrer großen Söhne, den Kurfürsten Johann Wilhelm aus dem Hause Pfalz-Neuburg, der vor 350 Jahren in der niederrheinischen Residenz geboren wurde. Die Transformierung des Namens ins Plattdeutsche deutet auf die Volkstümlichkeit dieses barocken Reichsfürsten hin. Ein Jahr lang sollen Ausstellungen, Konzerte, Lesungen (und ein barockes Festwochenende im Spätsommer) Zugänge zu Jan Wellems Persönlichkeit, Werk und Nachruhm ermöglichen. Zudem hat der stellvertretende Leiter des Düsseldorfer Stadtarchivs, Benedikt Mauer, soeben ein gerade auch für historische Laien informatives Lesebuch vorlegt, in dem er 36 Einzelbauwerke aus der Jan-Wellem Ära in den Blick nimmt.

In Düsseldorfs Stadtmuseum ist noch bis Sonntag eine Ausstellung unter dem Titel "Die Akte Jan Wellem" zu sehen. Mit Gemälden, Graphiken, Skulpturen, Modellen, Medaillen, Waffen usw. aus eigenen Beständen und mit Leihgaben präsentiert das Museum eine gut übersichtliche Schau in zwölf Kapiteln. Diese behandeln Persönlich-Familiäres, Politisches im Hinblick auf die Stadt-, Regional- und Reichsgeschichte, stellen den unermüdlichen Kunstmäzen und Kulturförderer ebenso vor wie den frommen Katholiken und den leidenschaftlichen "Jäger aus der Kurpfalz".

Düsseldorf-Besucher kennen Grupellos überlebensgroßes Reiterstandbild des Jan Wellems auf dem Platz vor dem Rathaus. Dieser majestätisch-stolze Kurfürst will so gar nicht zu dem Eindruck passen, den man von einer Jan-Wellem-Zeichnung Grupellos gewinnt, die gleich am Eingang der Ausstellung zu finden ist. Der kleinwüchsige Kurfürst ist hier ohne pompöse Perücke zu sehen, mit Halbglatze und unschönen Gesichtszügen. Im barocken Rollenspiel nahm er sich mit seinem etwas übersteigerten Selbstbewußtsein Ludwig XIV. zum Vorbild. "Französling" war er aber nicht, sondern stand als Erztruchseß und (nach dem Tode Kaiser Josefs I.) als Reichsvikar treu zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Er machte Düsseldorf zu einem Zentrum der Künstler, Musiker, Kunsthandwerker und Gelehrten und überschuldete sein Territorium, denn der Ausbau der Residenz, die Hofhaltung und die Förderung der Künste verschlangen Unsummen.

Die Ausstellung bemüht sich darum, weder in naive Herrscherverherrlichung noch in kleinkarierte Entmythologisierung zu verfallen. Die Hinweise zu den Exponaten und den geschichtlichen Zusammenhängen (wegen der ungünstigen Ausleuchtung nicht immer leicht lesbar) sowie die Foto-, Film und Hörbeiträge lassen beim Besucher mitunter Fragen aufkommen. Diesen kann er, wenn er Zeit, Lust und Laune hat, anhand von Aktenordnern nachgehen, in denen kopiertes Material (Quellentexte, Auszüge aus der Fachliteratur) bereitgestellt wird.

Wer den Gesamteindruck später zu Hause überprüfen möchte, sollte zu Wilhelm Schäfers "Anekdoten" greifen. In einem vierseitigen Text über Jan Wellem und den Bronzeguß Grupellos sind historische Größe und menschliche Unzulänglichkeiten des Kurfürsten meisterhaft verbunden. Weder das eine noch das andere wird in der Ausstellung verschwiegen.

Stadtmuseum Düsseldorf, Berger Allee 2, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Info: 02 21 / 8 99 61 70

Benedikt Mauer: "Der Fürst und seine Stadt - Bauten aus der Jan-Wellem-Zeit in Düsseldorf" (Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Düsseldorf 18), Droste Verlag, Düsseldorf 2008, fester Einband mit Fadenheftung, 216 Seiten, 76 Abbildungen, Faltkarte, 17,90 Euro

Bild: Johann Wilhelm (1658-1716) mit Allongeperücke und im Kurmantel (Van Dousen, um 1700: Barockes Rollenspiel u. Wellem-Denkmal auf dem Marktplatz in Düsseldorf

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