© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

Erschreckende Bildungsarmut
Arbeitsmarkt: Das Institut der deutschen Wirtschaft beklagt die Qualifi kation von Migranten / Von sozialen Transfers abhängig
Fabian Schmidt-Ahmad

Gute Bildung fördert den volkswirtschaftlichen Wohlstand, schlechte Bildung schädigt ihn. Folglich sollte man schon aus rein ökonomischen Interessen an einer umfassenden Bildung der heranwachsenden Generation interessiert sein. Doch es gibt eine wachsende Gruppe innerhalb des deutschen Bildungssystems, die problematisch ist. "Das Hauptproblem, das es in bezug auf die Schülerleistungen zu bewältigen gilt, ist der starke Effekt, den der sozioökonomische und/oder Migrationshintergrund auf die Bildungsergebnisse ausübt", heißt es etwas verschämt im jüngsten OECD-Wirtschaftsbericht.

Und der "starke Effekt" dürfte bald noch stärker werden, denn jeder vierte fünf- bis 20jährige in Deutschland kommt aus einer Migrantenfamilie, von den ganz kleinen Kindern ist es sogar jedes dritte. Wirtschaftsvertreter wollen angesichts der demographischen Entwicklung und des daraus resultierenden Fachkräftemangels die Zuwanderung dennoch weiter erleichtern.

Das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnte aber vor zuviel Optimismus, denn es gebe dabei ein gravierendes Problem: "Der Nachwuchs aus Migrantenfamilien kommt, verglichen mit den einheimischen Kindern, in der Schule im Durchschnitt weniger gut mit und hat somit oft einen niedrigen Bildungsabschluß. Diese sogenannte Bildungsarmut erreicht in Deutschland ein erschreckend hohes Ausmaß." Unter dem Titel "Migranten - Integrationshemmnis Bildung" beklagten die Kölner Wirtschaftsforscher die schlechte Bildung von Kindern aus Einwandererfamilien in Deutschland. Laut Pisa-Studie besitzen hier 44,1 Prozent der 15jährigen eine erhebliche Leseschwäche, dagegen sind dies nur 13,6 Prozent der einheimischen Kinder. Die Folgen seien: "Migranten verdienen weniger, sind öfters arbeitslos und stärker von sozialen Transfers abhängig." Ein Mißverhältnis, welches laut IW im internationalen Vergleich für Deutschland einen traurigen Spitzenplatz bedeutet. In Australien sind Einwandererkinder mit 12,4 Prozent kaum schlechter als einheimische Kinder mit 10,8 Prozent. In Kanada liegt der Anteil mit 5,5 Prozent sogar unter dem Landesdurchschnitt von 8,4 Prozent.

"Beide Länder achten aber auch traditionell stark darauf, welche Qualifikationen ihre Einwanderer mitbringen", stellte das IW hierzu lapidar fest. Was das genauer heißt, wird aus einer anderen Analyse ersichtlich. In "Deutschland vergibt Chancen" stellt das IW einen Vergleich der Einwanderstruktur verschiedener OECD-Länder auf. Während in Australien das Verhältnis des Anteils der Hochqualifizierten bei den Einwanderern im Vergleich zu dem der Gesamtbevölkerung mit 1,4 deutlich höher ausfällt, also eine Aufwertung stattfindet, so ist dieses Verhältnis in Deutschland mit 0,7 genau umgekehrt. Hier findet eine Abwertung statt.

Entsprechend fallen die Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung aus: Bildet Deutschland mit 16 Prozent Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts je Einwohner von 1995 bis 2007 das Schlußlicht der Gruppe, so legte Australien mit 32 Prozent doppelt so hoch zu. Spitzenreiter der Gruppe ist Irland, hier stieg das reale Bruttoinlandsprodukt gar um 94 Prozent an. Allerdings besitzt Irland auch mit 1,8 das höchste Verhältnis im Anteil der eingewanderten Hochqualifizierten bezüglich der einheimischen Bevölkerung. "Gezielte Zuwanderungspolitik wirkt sich positiv auf die Wirtschaftsleistung eines Landes aus", bemerkte das IW zu diesem Sachverhalt. Die Betonung dürfte wohl auf dem Wort "gezielt" liegen.

Denn mögen andere Länder den Zustrom von Einwanderern nach volkswirtschaftlichem Nutzen steuern, so hat man in Deutschland Probleme - denn Unterscheidung heißt schlußendlich "Diskriminierung". Das IW deutet Entsprechendes nur zaghaft an, daß die "Problemfälle" überwiegend aus dem muslimischen Kulturkreis stammen, wird verschwiegen. Zwar weist es darauf hin, daß in Deutschland im Jahr 2006 ungefähr zwei von fünf Einwanderern zwischen 25 und 65 Jahren keinen Berufsabschluß hatten (dagegen nur ungefähr jeder zehnte Deutsche), doch statt die Ursache dafür zu benennen, fordert es nur ebenso vage wie realitätsfremde Integrations- und Bildungsmaßnahmen. Die "Bildungsarmut" wird aber irgendwann auch die wohlhabendste Volkswirtschaft überfordern.

Die erwähnten Studien finden sich im Informationsdienst "IWD" 14 und 15/08 auf der IW-Internetseite: www.iw-koeln.de

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