© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

Im Visier des Staates
Islamismus: Deutsche Behörden ermitteln erneut gegen radikale Moslems / Verbotenes Multi-Kultur-Haus in Neu-Ulm als Keimzelle
Peter Freitag

Die islamistische Szene in Deutschland ist erneut ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten. Am Mittwoch vergangener Woche durchsuchten aufgrund eines Ermittlungsverfahrens der Münchner Staatsanwaltschaft mehr als hundert Beamte der bayerischen Polizei sowie der Landeskriminalämter aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Sachsen insgesamt sechzehn Privatwohnungen, Vereins- sowie Verlagsräume von Beschuldigten in Neu-Ulm, Ulm, Sindelfingen, Bonn, Berlin und Leipzig nach Beweismitteln.

Neun beschuldigten Personen wird von den ermittelnden Behörden vorgeworfen, sich seit September 2005 "ausgehend von Neu-Ulm und dem ehemaligen 'Multi-Kultur-Haus' dauerhaft und strukturiert mit der Zielsetzung zusammengefunden zu haben, Muslime und Nichtmuslime, insbesondere auch deutsche zum Islam konvertierte Personen, im Sinne einer äußerst strengen Form des Islam zu islamisieren und zu radikalisieren", heißt es in einer Stellungnahme der Ermittler. Ziel dieser Radikalisierung sei unter anderem auch gewesen, die Bereitschaft "für jihadistische Aktivitäten im In- und Ausland zu fördern". Bei den Beschuldigten handelt es sich laut bayerischer Polizei um deutsche Staatsangehörige im Alter zwischen 25 und 47 Jahren, von denen die überwiegende Zahl einen "Migrationshintergrund" aufweist. Die Männer wurden den Angaben zufolge nach der erkennungsdienstlichen Behandlung und einer Vernehmung durch die Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt.

Das 1996 gegründete und 2005 auf Weisung des bayerischen Innenministeriums geschlossene Neu-Ulmer Multi-Kultur-Haus (MKH) stand schon häufig im Visier der Ermittler (JF 38/07).

Zuletzt war es in die Schlagzeilen gekommen, weil auch die im vergangenen Jahr verhafteten "Dschihadisten", denen die Polizei die Planung mehrerer Sprengstoff-Attentate vorwirft, dem Umfeld der radikal-islamischen Institution aus der Donaustadt angehört haben sollen. Im Jahr ihres Verbots hatte der bayerische Verfassungsschutz festgestellt: Die "öffentlichen Äußerungen von Funktionären sowie die Freitagsgebete im MKH waren geprägt von einer massiven, gebetsmühlenartigen Hetze gegen die parlamentarische Demokratie, gegen Andersgläubige" und beinhalteten "offene Aufrufe" zur Bekämpfung beziehungsweise Tötung Andersgläubiger. Christen und Juden seien in den Propagandaschriften des Vereins "als Feinde präsentiert" worden, die "hinzurichten seien, wenn sie nicht bereuten und zum Islam überträten".

Bei den aktuellen Durchsuchungen sollten vor allem strafrechtlich relevante Publikationen sichergestellt und Erkenntnisse über deren Herstellung gewonnen werden. Denn mittels sowohl "radikaler Literatur, Audio- und Videomedien als auch Islamseminaren, Internetauftritten und einschlägigen Diskussionsforen" sollen die Beschuldigten Straftaten wie Volksverhetzung und Anwerbung zu einem fremden Wehrdienst begangen haben, so der Vorwurf der ermittelnden Staatsanwälte.

Jedoch wollte die Staatsanwaltschaft München nicht bestätigen, daß es sich bei dem in Berlin ansässigen Verdächtigen um Reda S. handle, wie der Bayerische Rundfunk gemeldet hatte. Gegen den aus Ägypten stammenden Reda S. wurde bereits wegen Beteiligung an den Bombenattentaten auf Bali im Oktober 2002 ermittelt, ohne daß jedoch ein Prozeß eröffnet wurde.

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