© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/08 25. April 2008

Lautsprecher der Unzufriedenen
Italien II: Umberto Bossis rechte Lega Nord ist die neue Volkspartei des Nordens / Kampf gegen illegale Einwanderung, Islamisierung und Gewaltkriminalität
Paola Bernardi

Im Wahlkampf klang es anders, da wollte Umberto Bossi, der Führer der rechten Lega Nord, noch "mit Gewehren gegen Rom ziehen", denn hinter den schlecht gedruckten Wahlscheinen witterte er - wieder einmal - römischen Betrug. Nun, nachdem die norditalienischen Autonomiebewegung gemeinsam mit Silvio Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis "Volk der Freiheit" einen klaren Wahlsieg errang (JF 17/08), gab sich der 66jährige staatsmännisch. Gemeinsam mit seinem "Freund Silvio" feierte er in dessen nahe Mailand gelegener Villa Arcore den politischen Erdrutsch.

In Städten wie Verona oder dem lombardischen Sondrio (Sundri) kam die Lega auf über 33 Prozent. Sie hat nicht nur in ihren Hochburgen Venetien (27,1 Prozent), Lombardei (21,6 Prozent), Trient (16,4 Prozent), Friaul (13 Prozent) oder Piemont (12,6 Prozent) ihr Wählerpotential verdoppelt, es gelang ihr sogar, in den "roten" Regionen wie Emilia-Romagna (7,8 Prozent) und Ligurien (6,8 Prozent) zuzulegen. Die nur in Norditalien aktive Lega wurde mit 8,3 Prozent drittstärkste Kraft Italiens.

Wer ist dieser Mann, der für Adrenalinausstöße bei den italienischen Politikern sorgt? Zwar provoziert Bossi gern durch Verbalradikalismus - "Roma ladrona" (räuberisches Rom) und "Ätna verschlinge sie" -, doch er handelt aus sicherem politischen Instinkt und mit taktischer Meisterschaft, wovon viele Politiker lernen könnten.

Umberto Bossi wurde 1941 in Varese als Arbeitersohn geboren. Ein begonnenes Medizinstudium brach er ab, er arbeitete als Auto- und Radiomechaniker. Seine große Wende vollzog sich 1979, als er dem Gründer der Autonomiebewegung des Aostatals (Union Valdôtaine), Bruno Salvadori, begegnete. Dieser begeisterte ihn für die Idee, daß die historisch unterschiedlich geprägten Regionen Italiens autonom sein müßten, und er machte ihm klar, daß der römische Zentralismus das Erzübel sei. 1982 gründete Bossi zusammen mit seinem späteren Kabinettskollegen Roberto Maroni die Lega autonomista Lombarda mit, die von unzufriedenen Mittelständlern, Kaufleuten, Handwerkern und Angestellten getragen wurde. Nach diesem Vorbild wurden in weiteren norditalienischen Regionen autonomistische "Ligen" gegründet. Der Aufstieg ging immer rascher voran. Die engere Heimat, der Dialekt, die schwelende Unzufriedenheit mit dem ineffizienten Zentralstaat und die Ressentiments gegen "den Süden", der alles kassiert, was im Norden erarbeitet wird, trieben die Wähler in Scharen zu Bossi. 1989 taten sich die föderativ gegliederten Ligen unter seiner Führung zusammen.

Und Bossi jagte die Bewegung von Erfolg zu Erfolg. Dreist bis zotig schürte er regionalen Populismus, wurde zum Lautsprecher der kleinen Leute. Bossi machte Bekanntschaft mit der Staatsanwaltschaft, als er die Einheit Italiens sprengen wollte. Mit seinem stürmischen Charakter nutzte er das Vakuum der Opposition. Denn die kommunistische Linke, die jahrzehntelang in Italien als nicht regierungsfähig galt, war längst zahnlos geworden. Bossi war 1993 mit­entscheidend für den Sturz des alten Parteien-Regimes infolge von "Mani pulite" (Saubere Hände).

Als Berlusconi 1994 mit seiner neuen Mitte-Rechts-Bewegung Forza Italia die Wahlen gewann und die Lega in seine Regierung aufnahm, trat der unberechenbare Bossi nach acht Monaten wieder zurück und stürzte damit Berlusconi. Doch inzwischen scheint zwischen den beiden wieder alles im Lot. Bossi hat viel dazugelernt. 2004 erlitt er einen Herzinfarkt und einen Hirnschlag, von dem er sich bis heute nicht ganz erholt hat. Bossi zog sich daher zunächst vom Amt als Minister für institutionelle Reformen ins Europaparlament zurück.

Dennoch ging es mit der Lega aufwärts: Die von ihren Gegner in Politik und Medien als "rassistisch" und bloße "Protestbewegung" abgestempelte Partei ist das Sprachrohr vieler verärgerter Bürger: Neben Fragen wie Steuerföderalismus oder Bürokratieabbau treiben vor allem die ungebremste Einwanderung, die schleichende Islamisierung und die ausufernde Gewaltkriminalität ihr die Stimmen zu - Alltagsprobleme, die auch früher kommunistisch wählende Arbeiter aufregen.

Daß diesmal weder die Kommunisten noch die postfaschistischen Rechtsaußen ins Parlament kamen, lag wohl auch am Lega-Erfolg. Bossis Partei ist zweifelsohne die neue Volkspartei Norditaliens - und er wohl bald wieder Minister in Rom.

Foto: Umberto Bossi: Volkstribun

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