© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/08 18. April 2008

Die Tugend des Defaitismus
Verfärbt: "Der rote Baron" von Nikolai Müllerschön ist eher rosa geraten
Michael Hofer

Was macht der süße Matthias im Schwulen-Heft?" fragte das Berliner Boulevardblatt B.Z. am 13. April. Mit rotem Erdbeermund, blauen Kulleraugen, kessem Blondschopf und lasziven Posen gab der Berliner Jungstar Matthias Schweighöfer den metrosexuellen Posterboy für die Leser des einschlägigen Magazins Front. Anlaß war der Kinostart von Schweighöfers jüngstem Film, "Der rote Baron", einem Spektakel über Manfred von Richthofen, den legendären Jagdflieger des Ersten Weltkriegs. Auch vom Filmplakat blickt Schweighöfer als süßer Fratz herab. Regisseur Nikolai Müllerschön hat den gefürchtetsten Piloten seiner Zeit als übermütigen Softie inszeniert, der durch eine wehrkraftzersetzende Romanze mit einer "kritischen" Krankenschwester (Lena Headey) zum kriegsmüden Pazifisten gewandelt wird.

Der Kinotrailer hatte noch vollmundig "die bewegende Geschichte einer der größten Legenden aller Zeiten" verkündet. Doch bereits der Untertitel ließ Schlimmes ahnen: "Sein größter Sieg war ihre Liebe". Wer also gebangt hat, daß nun ein deutscher Krieger glorifiziert werde, kann aufatmen: Der Mythos Richthofen ist in einer Süßwasserlache aus Political Correctness ertränkt worden, so daß man eher von einem "Rosa Baron" sprechen muß.

Der junge Rittmeister aus preußischem Adel, 1892 in Breslau geboren, bekam seinen Spitznamen aufgrund seiner blutrot gefärbten Maschinen, von denen vor allem der Dreidecker Fokker Dr. I Berühmtheit erlangte. Die Elitepiloten der Jagdstaffel 11 taten es ihrem Kommandanten gleich. Wenn Richthofens knallbunter "Fliegender Zirkus" am Himmel auftauchte, sank die Lebenserwartung der Briten drastisch. Zum Mythos gehört auch das "ritterliche" Verhalten der Piloten, die sich altmodische Duelle lieferten, während unter ihnen anonyme Massen in den Schützengräben verreckten. Nach einer Rekordzahl von 80 bestätigten Abschüssen fiel der hochdekorierte Richthofen am 21. April 1918, knapp vor seinem 26. Geburtstag. Er wurde vom Feind mit allen militärischen Ehren bestattet. Den Sarg trugen sechs alliierte Offiziere, eine Ehrengarde feuerte Salutsalven ab.

Wäre es nach den Deutschen gegangen, wäre die Legende des "Roten Barons" nach 1945 wohl in Vergessenheit geraten. In der anglo-amerikanischen Populärkultur lebte Richthofen jedoch fort, als "edler" Schurke, der gleichermaßen Respekt wie Furcht einflößt. "Der Rote Baron ist im Ausland eine Kultfigur, nicht aber in Deutschland", schrieb die Times bereits Ende 2006, als Müllerschöns Film angekündigt wurde. "Seit 1945 wurden deutsche Soldaten entweder als hackenschlagende Fanatiker, heimliche Pazifisten oder widerstrebende Opfer der Nazi-Kriegsmaschinerie dargestellt." Der Film breche ein jahrzehntealtes deutsches Tabu, indem er "das Leben eines Kriegshelden feiert".

Von wegen. Richthofens Heimkehr in sein Vaterland wurde zur Bruchlandung. "Heimat und Historie werden zum diffusen Raum für einen Helden, der aus einem holperigen Entwicklungsroman gepurzelt sein könnte", urteilte die Zeit, und Franziska Augstein sekundierte in der Süddeutschen, der Film sei eine "klassische Entwicklungsgeschichte für Kinder. In dieser Variante ist sie mit Propellern versehen." Müllerschön stand vor der Wahl, die Legende entweder als saftiges Action-Kintopp abzufeiern oder sie als kritischen "Bildungsroman" über die Verrohung des Helden durch die Kriegserfahrung zu erzählen, wie Andreas Kilb in der FAZ vorschlug. Zum ersteren fehlt einem deutschen Regisseur der Schneid, zum zweiten das Format.

So entschloß man sich also zur Entmannung der Geschichte. Von den "daring deeds" Richthofens, den wagemutigen Taten, die der Berlin-Korrespondent der Times erhoffte, ist im fertigen Film wenig zu sehen. Statt dessen verpulvert die Handlung in der wohl ödesten Kino-Liebesgeschichte des Jahres. Die britische Schauspielerin Lena Headey ist nicht nur sichtbare zehn Jahre älter als Schweighöfer, sie spielt ihre Rolle ohne einen Funken von Sex-Appeal. Mit gerunzelter Stirn und verkniffenem Mund öffnet sie als moralinsaure Berufsnervensäge dem Pour-le-Mérite-Träger und naiven Adrenalin-Junkie die Augen, daß Krieg ganz und gar böse, schlimm und verwerflich sei. Selbstverständlich verachtet der Kino-Richthofen den "Patriotismus", und schließlich rät er gar einem schweinsköpfigen Hindenburg zu Kapitulation.

Der Gipfel der Einfalt ist die Figur eines jüdischen Piloten, ein enger Freund Richthofens, der sich offenbar im zionistischen Delirium befindet, da er bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine Herkunft hervorstreicht: Nicht nur ziert seinen Doppeldecker ein riesiger Davidstern, er flucht auch noch auf hebräisch, wenn er abgeschossen wird. Richthofen, ein erzdeutscher, preußischer Offizier mit, Schauder, Eisernem Kreuz an der feldgrauen Jacke - aber wenigstens kein Antisemit, Gott sei Dank! Bezeichnenderweise ist "Friedrich Sternberg", wie der Nachspann eingesteht, die einzige fiktive Figur des Films.

Mit einem derart weichgespülten Baron haben sich die Filmemacher ein konzeptionelles Eigentor geschossen: Was Müllerschöns Richthofen als "Helden" auszeichnet, ist so ziemlich exakt das Gegenteil von allem, was seit eh und je die Faszination der Gestalt ausmachte. Die vorsorgliche Klitterung hat immerhin den Eklat abgefangen. Selbst ein notorisch nationalmasochistischer Kritiker wie Christian Buß von Spiegel online, der sich jüngst darüber empörte, daß in dem Fernseh-Zweiteiler "Die Gustloff" ein "Volk von Unschuldigen absäuft", fand wenig zum Beißen. Der "Abenteuerschmonzes" sei vor allem deshalb "reaktionär", weil er das "Klischee einer fairen Luftwaffe" bediene, und weniger, wie zu erwarten war, weil er einen deutschen Soldaten zum Star macht.

Ausgerechnet den "roten Baron" als Aufhänger zu nehmen, um den Deutschen mal wieder Defaitismus als Kardinalstugend zu verkaufen, ist freilich auch schon wieder eine Meisterleistung. Ob sich allerdings mit Spielverderberei Kasse machen läßt, steht zu bezweifeln. Der Kinostart einer der teuersten deutschen Filmproduktionen der letzten Jahre endete jedenfalls in einem Fiasko.

Foto: M. Schweighöfer als Baron Richthofen: Erzdeutsch, aber Gott sei Dank wenigstens kein Antisemit

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