© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/08 18. April 2008
Oskar, das rote Schreckgespenst Obwohl der genaue Wahltermin für den Urnengang im Saarland für das Jahr 2009 noch nicht feststeht, macht sich Unruhe breit. Auslöser sind zwei Erdbeben, die das kleinste Flächenland der Bundesrepublik nachhaltig erschütterten. Anfang März kam es im Landeszentrum zum bisher stärksten bergbaubedingten Erdbeben seit Beginn des Kohleabbaus. Der sofortige Abbaustopp war die Folge. Mittlerweile läuft die Steinkohlegewinnung wieder mittels einer Notlösung, doch die Schließung der letzten Saar-Zechen im Jahr 2012 ist nunmehr beschlossene Sache. Wie kein anderes Bundesland wurde das Saarland von der "Kumpel-Mentalität" geprägt, und die Tatsache, daß sich die amtierende Landesregierung um den mit absoluter Mehrheit ausgestatteten Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) in Sachen Strukturwandel ziemlich ratlos gibt, löste das zweite Erdbeben aus, welches diesmal rein politischer Natur war: Ende März vermeldete das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit 29 Prozent Zustimmung für die saarländische "Linke" ein neues westdeutsches Rekordergebnis. Nur wenige Tage vorher hatte sich der ehemalige saarländische Ministerpräsident und heutige Bundesvorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, mit einem heftigen Plädoyer für die Bergleute und ihre Familien zu Wort gemeldet. Von der Gründung staatlicher Auffanggesellschaften bis hin zu Schadensersatzforderungen durch die Deutsche Steinkohle (DSK) gingen die Forderungen. Derlei Populismus kommt im krisengeschüttelten Saarland gut an. Und schon geistert der ehemalige Landesvater Lafontaine als politisches
Schreckgespenst durch das Land. Bereits Anfang des Jahres ging er mit dem
Vorstoß "Ich will wieder Ministerpräsident werden" in die vollen. Nun
liegt die saarländische "Linke" zwar bei Umfragen zum Bundestag bei oben
erwähnten 29 Prozent (SPD 16 Prozent), doch bei Landtagswahlen würde die
oppositionelle SPD um den einstigen Lafontaine-Zögling Heiko Maas mit 25
Prozent vor der Linkspartei liegen (19 Prozent). Eines scheint aber bereits
sicher: Die CDU, die 2004 mit 47,5 Prozent eines ihrer Spitzen- Lafontaine wird es aller Voraussicht nach gelingen, einen Großteil der frustrierten SPD-Anhänger in den strukturschwachen Gebieten, die vor vier Jahren zu Hause blieben, an die Linkspartei zu binden. Bereits jetzt liegt die SPD noch einmal gut fünf Prozentpunkte hinter ihrem Minus-Ergebnis von 2004. Da auch die im Saarland weit links stehenden Grünen mit sieben Prozent stabil über der Sperrklausel liegen, wäre rein rechnerisch eine rot-rot-grüne Regierung möglich. Nun haben manche prominente Genossen noch nicht vergessen, daß es Lafontaine
war, der mit seinem Rücktritt als Bundesfinanzminister 1999 den Niedergang der
bis dato allein regierenden Saar-SPD einleitete, doch versöhnliche Töne sind
unüberhörbar. "Er vertritt klassische SPD-Positionen", ließ Landes- Dies liegt vor allem daran, daß Lafontaine beim Aufbau des saarländischen Landesverbandes ein glückliches Händchen bewies. Als Vorsitzenden installierte er den ehemaligen Verdi-Landesleiter Rolf Linsler, und zum Statthalter in der Landeshauptstadt avancierte der äußerst populäre frühere SPD-Kommunalpolitiker Lothar Schnitzler. So verwundert es kaum, daß sich beide Parteien gegenseitig mit Samthandschuhen anfassen. Schuld an der Spaltung der Arbeiterbewegung gibt man unisono Altkanzler Gerhard Schröder und seinen Hartz-IV-Reformen. Und so ist die Aussage von SPD-Frontmann Maas nur logisch, daß er ohne Koalitionspräferenz in den Wahlkampf ziehen wird: "Wir kämpfen für ein gutes SPD-Ergebnis und wollen Ministerpräsident Müller ablösen. Von daher schließe ich nichts aus." In den Reihen der CDU verfolgt man den rot-roten Flirt mit Unbehagen. Maximal 40 Prozent werden der Union um Peter Müller derzeit vorhergesagt. Selbst mit der äußerst wirtschaftsliberal auftretenden FDP (sechs Prozent) um den alerten Landesvorsitzenden Christoph Hartmann dürfte es nicht für eine bürgerliche Mehrheit reichen. Da die politischen Positionen von Grünen und FDP an der Saar fast keine Gemeinsamkeiten aufweisen, dürfte die Option "Jamaika" illusorisch sein. Bliebe Ministerpräsident Müller nur noch eine Koalition mit der SPD. Und so setzen die Unions-Strategen darauf, daß Lafontaine die SPD im Wahlkampf-Endspurt überholt. "Den Oskar zum Ministerpräsidenten machen, das bringen die nicht", heißt es in CDU-Kreisen über die SPD. Gleichwohl gilt es als sicher, was passieren würde, sollte die SPD vor der Linkspartei landen. "Dann bleibt Lafontaine in Berlin, und die Linke geht als Juniorpartner in die Regierung", ahnt CDU-Fraktionschef Jürgen Schreier. Foto: Ein Bergbaugeschädigter überreicht Oskar Lafontaine als Zeichen des Protestes gegen den Steinkohleabbau einen Trauerkranz: Annäherung zwischen Linkspartei und Sozialdemokraten |