© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/08 11. April 2008

Mediales Spiel mit dem Feuer
Integration: Deutsche und türkische Journalisten diskutieren über die Rolle der Medien / Zeitungen suchen vergeblich nach ausländischen Redakteuren
Christian Dorn

Für einen Aprilscherz schien das Thema zu ernst, als sich am 1. April Vertreter deutscher und türkischer Medien im Abgeordnetenhaus von Berlin trafen, um über das Spannungsverhältnis "Medien und Integration" zu diskutieren. Auf Einladung des Deutsch-Türkischen Forums (DTF) der CDU, der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung (TDU) sowie der CDU-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses sollte geklärt werden, ob und wie türkische Medien zur Orientierung und Integration türkischstämmiger Bürger beitragen.

Zugleich ging es um die Frage, wie Einwanderer in den deutschen Medien dargestellt werden, als abgegrenzte problematische Minderheit oder als integrierter Bestandteil der Gesellschaft. Als Omen des Abends konnte da bereits das Einladungsschreiben der CDU gelten, das in fehlerhafter Syntax und Orthografie unfreiwillig demonstrierte, wie die "Leitkultur" nicht nur dem Begriff, sondern auch der Existenz nach im Schwinden begriffen ist. Wie zur Bestätigung des CDU-Abgeordneten aus Berlin-Kreuzberg, Kurt Wansner, der eingangs betonte, Integration sei ein "schwieriges Thema, weil man manchmal das Gefühl hat, nicht weiterzukommen", verlief denn auch die Veranstaltung. Erhellend war sie vor allem, weil sie zeigte, in welchem Maße sich die türkischen Medien und die Türken selbst der Integration verweigern.

So habe die Berichterstattung türkischer Medien nach der Brandkatastrophe von Ludwigshafen den Integrationsprozeß beschädigt, meint Ertan Taskiran vom Deutsch-Türkischen Forum der CDU. Während er die signifikant höhere Kriminalitätsrate jugendlicher Migranten aus der dritten und vierten Generation beklagt und allen Ernstes Hilfe von den kürzlich abgehaltenen Treffen Integrationsgipfel und Islam-Konferenz erwartet, bezichtigte Remzi Kaplan die deutsche Gesellschaft der Fremdenfeindlichkeit.

Diese, so der Vorsitzende der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung in Berlin-Brandenburg, verhindere die Integrationsbereitschaft. Zu belegen versuchte er seine Thesen mit den politisch fragwürdigen Studien von Wilhelm Heitmeyer an der Universität Bielefeld  (JF 12/08) sowie jenen der Universitäten Dortmund und Siegen.

Als Vertreterin der deutschen Printmedien entgegnete darauf Christine Fischer von der Berliner Zeitung, die Kaplan attestierte, "vorurteilsbeladen" zu sein. Wenn das Fazit der Bielefeld-Studie mit fünfzig Prozent Fremdenfeindlichkeit zuträfe, "hätten wir hier längst Bürgerkrieg". Zugleich zeigte sie, wie schwierig es ist, den Integrationsprozeß als Zeitung zu befördern oder auch nur angemessen zu begleiten: Vergeblich versuchten sie, einen türkischstämmigen Journalisten einzustellen - es melde sich niemand.

Ähnliches schildert Joachim Fahrun, Chefreporter der Berliner Morgenpost. Zwar hätten sie in ihrer Redaktion einen türkischstämmigen Journalisten, doch weigere sich dieser, über integrationspolitische Themen zu schreiben. Fahrun schiebt den Schwarzen Peter den Türken zu und fragt: "Warum sind sie nicht längst in die deutschen Printmedien gegangen?" Dann, so Fahrun, würde sich auch die Berichterstattung ändern und vermehrt türkische Leser ansprechen. Solange sich die türkischstämmigen Einwohner aber nicht von der Türkei abnabelten, würde die mediale Parallelgesellschaft weiter wachsen.

Welchen Anteil die türkischen Medien daran haben, wurde deutlich am Beispiel der Tageszeitung Sabah ("Morgen"). Mitktad Karaalioglu, Chefredakteur der Europa-Ausgabe, bekannte freimütig, daß er sich von dieser Fragestellung nicht betroffen fühlt, denn - so wörtlich - "wir betrachten uns nicht als Integrationsbeauftragter". Wie auch, möchte man meinen, hatte doch das Mutterblatt in der Türkei anläßlich des Brandes in Ludwigshafen beharrt, es handele sich um Anschläge von Rechtsextremisten. Auf der Titelseite prangte die Zeile "Nazi-Verdacht" und weiter: "Sie haben uns schon wieder verbrannt!" - eine Anspielung auf die Brandanschläge von Mölln und Solingen 1993, bei denen acht Türken ermordet und weitere schwer verletzt worden waren.

Gemeinsam mit den Ausschreitungen von Rostock und Hoyerswerda Anfang der neunziger Jahre bilden sie - das wird an diesem Abend deutlich - ein medial und gesellschaftspolitisch verankertes Trauma, mit dem Deutschland offenbar auf unabsehbare Zeit wird leben müssen.

Auch die auflagenstärkste türkische Zeitung in Deutschland, Hürriyet ("Freiheit"), spielt mit dem Feuer. Mit Blick auf die seit Ludwigshafen zu verzeichnenden Haus- und Wohnungsbrände deutsch-türkischer Einwohner rekapituliert sie mit einer unterschwelligen Anklage: "Das Feuer hört nicht auf - 17 Brände in 23 Tagen". Der anmaßenden Behauptung von Ahmet Külahci, Berlin-Korrespondent der Hürriyet, daß nur jemand seiner Zeitung "nationalistische Töne" vorwerfen könne, der des Türkischen nicht mächtig ist, widersprechen derweil nicht nur Türken im Publikum, auch der Migrationsforscher Martin Schönberg von der Technischen Universität Berlin.

Seinem Verständnis nach schlage die Zeitung immer wieder nationalistische Töne an. Auch sei die Schutzbehauptung falsch, der zufolge für die fehlende Integration einzig sozio-ökonomische Faktoren verantwortlich gemacht werden. Ebenso seien auch kulturelle und religiöse Hintergründe zu berücksichtigen. Doch als das Thema Islam an die Oberfläche und damit die hiesige Ankunft des Morgenlandes zur Sprache kommt, neigt sich die Abendsonne über die Versammlung - auf der gegenüberliegenden Seite verschwindet die Silhouette des Finanzministeriums.

Rechts von dem mächtigen Gebäude laufen in der Ferne auf dem Dach des Hochhauses des Axel-Spinger-Verlages Nachrichten über die Leuchtdioden, und Morgenpost-Redakteur Fahrun, der dort seinen Arbeitsplatz hat, läßt seine türkischen Berufskollegen wissen, daß die Angst vor dem Islam unter säkularisierten Türken in der Türkei wohl mindestens so groß sei wie die der in Deutschland lebenden Deutschen.

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