© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/08 11. April 2008

Kinder
Leben als soziale Aufgabe
Dieter Stein

Wenn Kinder geboren werden, ergreift uns die ganze Macht des Lebens. So klein und doch so stark sind die winzigen Wesen. Jeden schlagen sie in ihren Bann. Dem Zauber Neugeborener kann sich niemand entziehen. Sie sind eine Anrufung, das Schicksal in eigene Hände zu nehmen. Als Eltern erkennt man sich selbst in den Kindern wieder und durchlebt die eigene Menschwerdung noch einmal neu. Plötzlich erwacht auch in viel mächtigerem Maße das Interesse für die aus unzähligen Generationen geformte Kette, deren letztes Glied wir waren, bis wir Eltern wurden.

Doch wie oft enden die Generationenketten. In der Phase des demographischen Herbstes unseres Volkes entscheidet  sich eine wachsende Zahl der Lebenden dagegen, Leben zu stiften und weiterzugeben. Doch gibt es komplexe Ursachen, weshalb es nicht zur Gründung von Familien kommt und Paare trotz eines vorhandenen Wunsches, Kindern Leben zu schenken, scheitern.

Eine Lebensrechtsexpertin erklärte dieser Tage, daß es neben immer schon angeborenen und psychischen Faktoren auch einen meßbaren Anstieg bleibender Unfruchtbarkeit bei Frauen gebe, die von frühester Jugend hormonellen Verhütungsmitteln ausgesetzt waren.

Der letzte Ausweg für Kinderlose ist neben der Suche nach einem Adoptivkind die künstliche Befruchtung. Die "In-vitro-Fertilisation" ist aus ethischer Sicht nicht unproblematisch, weil bei der "Zeugung im Reagenzglas" lebensfähige Embryonen nicht den Weg in die Gebärmutter finden, ihr Verlust also in Kauf genommen werden muß. Bis Ende 2003 wurden die Kosten dieser Behandlung - heute pro Anwendung bis zu 4.000 Euro! - von den Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) getragen. Durch eine Änderung des Sozialgesetzbuches werden heute unter Auflagen maximal 50 Prozent der Behandlungskosten gewährt. Folge: Die Zahl der Behandlungen sank von 104.542 (2003) auf 35.352 (2004) und 32.099 (2005). Nach Schätzungen der GKV werden dadurch jährlich rund 6.000 Kinder weniger geboren.

Ungeachtet dessen, daß künstliche Befruchtung ethisch nicht unproblematisch und allenfalls ultima ratio für kinderlose Paare sein kann, erscheint es vollkommen schizophren, daß eine Gesellschaft im Gegensatz dazu die Tötung ungeborenen Lebens durch Abtreibung über die Krankenkassen, genauer die Länderhaushalte gemeinschaftlich finanzieren läßt.

Von 2002 deutschlandweit 129.925 gemeldeten Abtreibungen wurden aufgrund "Schwangerenhilfegesetz" in rund 115.000 Fällen die Kosten durch den Steuerzahler über die GKV erstattet. In Summe wenden die Länder für die Tötung von ungeborenen Kindern jährlich rund 40 Millionen Euro auf.

Wir leben in einer "perversen" (lat. perversio = die Verdrehung) Welt. Auf der einen Seite wird Leben hunderttausendfach staatlich legitimiert und alimentiert vernichtet, ist der Tod von Kindern also eine "soziale" (lat. socius = gemeinsam) Aufgabe, auf der anderen Seite wird die Förderung von Lebendgeburten zur Privatsache erklärt.

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