© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/08 04. April 2008

Nihilistischer Wegweiser
Einführungen zu Kondylis
Karlheinz Weissmann

Vielleicht darf man das Erscheinen dieses Bandes als erstes Indiz dafür nehmen, daß Kondylis in den Rang eines Klassikers aufrückt, eines Klassikers der politischen Theorie. Der Herausgeber, Falk Horst, will die verschiedenen, zum Teil schon vor längerer Zeit an anderen Orten veröffentlichten Beiträge jedenfalls als "Einführungen" in das Werk von Kondylis verstanden wissen, der zwar auch als Übersetzer und durch Editionen hervortrat, aber vor allem als Verfasser geistesgeschichtlicher Studien - insbesondere über den europäischen Rationalismus, den Konservatismus und die Demokratie des Massenzeitalters.

Hingewiesen sei vor allem auf zwei Beiträge, die sich mit dem Standort von Kondylis beschäftigen. Da wäre zuerst Wolfgang Schullers Aufsatz über "Marx, Engels und Marxismus bei Panajotis Kondylis" zu nennen, der die geistige Unabhängigkeit von Kondylis betont und dessen Auffassung nachgeht, daß der Marxismus eigentlich nur eine Variante des bürgerlichen Denkens gewesen sei. So zutreffend Schullers Ausführungen zu diesem Thema sind, man wird seiner Schlußfolgerung - daß Kondylis vom Marxismus ganz unbeeinflußt war - nicht ohne Vorbehalte folgen. Kondylis' Methode, von biederem Materialismus sehr weit entfernt, hatte doch etwas von jener Trostlosigkeit, die dem Marxismus eignen müßte, wenn er ohne seine utopischen Elemente auszukommen hätte. In seinem Aufsatz zu Kondylis' "Sozialontologie" hat Peter Furth diese Überlegung aufgenommen und vom "Aufklärer ohne Mission" gesprochen, der die Entwicklung der Weltanschauungen und deren polemischen Charakter genauso analysierte wie die Gründe für deren Verschwinden, deren Selbstbehauptung oder deren Sieg. Kondylis legte seiner Analyse immer eine Anthropologie zugrunde, die im Menschen ein Wesen sah, das von seinem Willen und seinem Wunsch nach Erkenntnis getrieben wird. Das erklärt auch die Lagebedingtheit aller Ideologie oder - je nach Perspektive - den Mangel an Absolutem in der Geschichte.

Was das zuletzt heißt, hat Kondylis auf die Formel gebracht: "Die Werte sind relativ und der Mensch ist sterblich; konsequent durchdacht, heißt diese elementare Einsicht: Nihilismus." Die Sentenz stammt aus den Aphorismen, die neben einer Bibliographie den Anhang des vorliegenden Buches bilden. Man sollte sie allerdings nicht allein stehen lassen; Kondylis hat hinzugefügt: "Männlichkeit ist die Moral des Nihilismus."

Falk Horst (Hrsg.): Panajotis Kondylis. Aufklärer ohne Mission. Aufsätze und Essays. Akademie Verlag, Berlin 2007, gebunden, 198 Seiten, 39,80 Euro

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