© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/08 28. März 2008

Zeichen gegen Vertreibungen
Zäher Stellungskampf
Thorsten Hinz

Ein "Sichtbares Zeichen" - was wäre ein unsichtbares? - soll in Berlin an Flucht und Vertreibung erinnern; es soll ein deutsches Projekt und kein Teil eines "Europäischen Netzwerkes" sein. Mit der vom Bund der Vertriebenen (BdV) angestoßenen Initiative für ein Zentrum gegen Vertreibungen wird es aber nicht viel zu tun haben. Dem BdV wird lediglich eine Vertretung in den Stiftungsgremien zugebilligt, wie den sogenannten Vertreiberstaaten auch.

Das läßt Kritiker befürchten, daß weder der Versailler Vertrag noch die Bedrängung der deutschen Minderheiten in Mittelosteuropa hinreichend thematisiert und statt dessen die Metaphysik einer deutschen Universalschuld zementiert werden soll. Der für Aussiedler- und Vertriebenenfragen zuständige CDU-Bundestagsabgeordnete Jochen-Konrad Fromme hat zwar bestritten, daß die Einrichtung sich auf den Kriegsausbruch 1939 als die Alleinursache der Vertreibung kaprizieren wird. Doch darf man solchen Zusicherungen trauen? Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) ließ sich in der Frankfurter Rundschau wie folgt vernehmen: "Wir erinnern angemessen an das Schicksal der Vertriebenen und vermeiden jeglichen Verdacht, die Deutschen wollten sich von einem Volk der Täter zu einem Volk der Opfer stilisieren." Für die moralische Selbstverbrennung, die diese Worte implizieren, gibt es zwei Erklärungen: Entweder sind Thierse & Co. späte, in ihrem Selbstwert gefährdete Beschädigte des Zweiten Weltkriegs, die hoffen, sich durch ihr Flagellantentum einen Rest von Überlegenheit zu erhalten. Oder ihre Worte bezeugen, daß Treue und Stolz - unverzichtbare Elemente des Humanen - in Deutschland für alle Zeit gebrochen sind. "Erbarmunsloser Lehrer auf dem Feld menschlicher Schwäche ist die Niederlage", schreibt Hans von Hentig in seinem Buch "Die Besiegten".

Die Medien teilen zu 95 Prozent Thierses Haltung. Trotzdem wäre es falsch, von Gleichschaltung zu reden, weil der Begriff einen äußeren Gewaltakt bezeichnet. Die heutigen Manipulatoren sind selber Manipulierte und in den Mythen, die sie verbreiten, gefangen. Auch das gehört zum politisch-psychologischen Hintergrund der qualvollen Entscheidungsfindung. Deshalb war ein besserer Beschluß nicht möglich. Das Prinzip des Alles oder Nichts zu vertreten, hätte bedeutet, am Ende leer auszugehen. Um so schärfer muß man hinsehen, wenn die Entscheidungen über die konkreten Konzepte und Details anstehen.

Nicht zu vergessen: Dieser relative Erfolg ist vor allem der Erfolg von Erika Steinbach. Ohne die BdV-Präsidentin gäbe es keinen Regierungsbeschluß über ein "Sichtbares Zeichen". Was Frau Steinbach jahrelang an Gemeinheiten und Aggressionen ertragen mußte, hätte schwächere Naturen in die Resignation getrieben. Sie aber ist den Anwürfen mit Zähigkeit, Geduld, Geschick, Augenmaß und einer stoischen Leidensfähigkeit begegnet - und mit ihrer Überzeugungstreue. Das Wort, das diese Eigenschaften umfaßt, lautet: Tapferkeit! Es gibt Momente, da könnte man glatt an Politikertugenden und an die Sinnhaftigkeit politischen Engagements glauben.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen